Endstation Meisterschaft. BVB Borussia Dortmund v FC Bayern München 1:0
Bayern München, Fußball Add commentsDie Verwendung des Wortes Endstation im Titel könnte man natürlich auch als versteckten Hinweis auf eine Bahnfahrt deuten und tatsächlich wird es in diesem kleinen Reisebericht neben Fußball auch vermehrt um mein Lieblingsunternehmen auf Schienen gehen. Beginnen wir aber mit der (leidigen) Fußballgeschichte.
Besagter Mittwoch in Dortmund, Borussia Dortmund gegen den FC Bayern München, das war vor allem ein echtes Endspiel um die deutsche Fußballmeisterschaft! Auch wenn viele Dortmundfans das ja vorher nicht hören wollten, so war ich mir schon im Klaren darüber, dass Bayern München dieses Spiel, um die Chancen auf den Titel zu wahren, im Optimalfall gewinnen musste, es aber mal auf keinen Fall verlieren durfte. Die Ausgangslage war da aus meiner Sicht jedenfalls wahnsinnig eindeutig und irgendwie macht das ja auch den Reiz aus. Die zwei besten deutschen Mannschaften, im größten deutschen Stadion, spielen unter Flutlicht um den großen Titel. Mehr geht national eigentlich nicht, da musste ich schon dabei sein.
Ich habe mich also Mittwoch Nachmittag in Hamburg in so ein Schienenfahrzeug der deutschen Bahn gesetzt und bin nach Dortmund gejuckelt. Wichtige Spiele kann ich immer daran erkennen, dass ich schon im Laufe des Tages wirklich sehr angespannt bin. So war das auch an diesem Tag. Bayern München hatte ja das Hinspiel bereits gegen den BVB verloren und zusammen mit den beiden Niederlagen der letzten Saison kann man da schon von einer ziemlich negativen Serie sprechen. Wir sind noch nicht im Angstgegnerbereich, aber der BVB hat offensichtlich ein Mittel gefunden uns konstant den Spaß zu verderben. Ich bin also mit der großen Hoffnung nach Dortmund gefahren, nicht noch ein 4. Mal gegen die zu verlieren. Wie wir ja inzwischen alle wissen: Das hat leider nicht so richtig funktioniert.
Unentspannt und nervös sitzt man also in der deutschen Bahn und wird so durch die Landschaft gefahren. Man kann denen jetzt nicht vorwerfen, dass sie nicht wirklich alles unternommen hätten, um mich ein bisschen abzulenken. Nun wirklich nicht, wir haben sogar eine ganze Zeit lang an so einer Schienenbaustelle angehalten, um mal einen besseren Einblick in den aktuellen Stand der Gleisbauarbeiten zu bekommen…Half aber alles nichts, ich war trotzdem nervös.
Dementsprechend stark verspätet kam ich auch am Stadion an. Ein Treffen war zeitlich somit leider nicht mehr drin, also direkt rein in die gute Stube und Platz genommen im Auswärtsblock vom FC Bayern. Die Größe des Stadions in Dortmund bringt es mit sich, dass auch das Auswärtsteam ein größeres Kontingent bekommt und dementsprechend groß war der Block auch. Wenn ich mit Bayern auswärts unterwegs bin, gehe ich immer in den Block, da alles andere für mich keinen Sinn macht. Es ist dabei ganz spannend zu beobachten, dass die Fans durchaus zwischen wichtigen und nicht ganz so wichtigen Spielen unterscheiden können. In Dortmund war es jedenfalls von Beginn an zu spüren, dass es heute aber mal total wichtig ist. Der Auswärtssupport war jedenfalls von Beginn an ziemlich gut und für Bayernverhältnisse sogar sehr gut. Insgesamt war das eine wahnsinnig laute, tolle Atmosphäre im Westfalenstadion, ein echtes Highlight aus meiner Sicht.
Über das Spiel verliere ich jetzt besser gar nicht so viele Worte, weil es mich minimal erneut aufregen und maximal gehässig werden lassen würde. Ich mach es daher einfach kurz: Die erste Hälfte ging klar an den BVB, da hatten sie riesige Torchancen und Manuel Neuer und das Glück haben letztendlich eine Dortmunder Führung verhindert. Das muss man deutlich sagen, da gehen wir glücklich mit 0:0 in die Pause. In der zweiten Hälfte war Bayern dann endlich deutlich stärker und auch überlegen, so dass ich eigentlich Mitte der zweiten Hälfte von einem Unentschieden ausgegangen bin. Und als ich da gerade noch so drüber nachgedacht habe, hat der BVB halt kurz vor Schluss doch noch die Führung erzielt. Bayern München ist dann noch ein paar Minuten angerannt, hatte auch klare Torchancen, von denen Arien Robben leider die klarste (Elfmeter), nicht nutzen konnte.
Abpfiff, aus, Spiel vorbei, Endstation Meisterschaft, der Titel ist weg. Ganz Dortmund liegt sich jubelnd in den Armen und wir Bayernfans waren alle auf der Tribüne mal so richtig komplett bedient. Emotionale Leere würde das jetzt ein Fachmann nennen, ich bezeichne es als total bitteres Sch…gefühl! Das ist so eine explosive Mischung aus den Wünschen zu heulen, zu schreien und einen dieser jubelnden Dortmundfans aus dem Oberrang aufs Spielfeld zu werfen. – ok, wobei ich das letztere natürlich nie machen würde, ich bin ja friedlich. 😉
Und falls ich dann gedacht habe, der Abend wäre schon an seinem negativen Höhepunkt angelangt, hatte ich die Rechnung aber noch ohne die deutsche Bahn gemacht….
Ich hatte also die irre intelligente Idee mit einem Nachtzug von Dortmund nach Hause zu fahren. Auf so eine Idee kommt echt auch nur jemand, der in seinem Leben bisher nur sehr selten Nachtzug gefahren ist! Da bin ich aber mal so richtig in so eine große überzeugende Marketingaktion der Bahn geraten. – Allerdings fürs Auto!
Man steht also so auf dem Bahnsteig in Dortmund, kein Zug angekündigt und wartet. So nach ner halben Stunde Verspätung fragt man sich dann irgendwie, ob man den richtigen Bahnhof und das richtige Gleis erwischt hat. Um einen herum stehen dabei zahlreiche feiernde Dortmundfans, es soll ja emotional nicht langweilig werden.Plötzlich fährt da so ein Zug ein. Keine Lautsprecheransage, keine Ankündigung, nichts. Wie ich im Nachhinein gelernt habe, darf die Bahn wohl aus Gründen der Lärmbelästigung nachts keine Durchsagen machen. Lustig, aber eben nur wenn man das weiß.
Ich war immerhin clever genug mir einen Sitzplatz zu reservieren, denn dieser Nachtzug war wieder Erwarten komplett voll. Da sitzt man dann also ziemlich müde und völlig frustriert in so einem engen Abteil mit 4-5 anderen und freut sich auf die lange Rückfahrt nach Hamburg. In meinem Fall bestanden die 4-5 anderen aus der lustigen Zusammenstellung von zwei Schwedinnen, die völlig irre auf dem 25 stündigen Weg nach Malmö waren (und mit dem gängigen Vorurteil, dass alle Schwedinnen blond und extrem gutaussehend sind, komplett aufgeräumt haben!), einem Bahnvielfahrer, der so ziemlich alles mit der deutschen Bahn schon erlebt hatte – und es uns ungefragt auch alles erzählen musste, dafür Fußball gar nicht mochte und einem richtigen Dortmundfan, der den Schwedinnen dann in äußerst schlechtem Englisch ausführlich die Faszination BVB erklärt hat. Ich kann euch sagen: Die Rückfahrt war echt mal the icing on the cake für diesen Trip!
Normalerweise würde man unterstellen, so ein Szenario kann sich maximal einer dieser schlechten französischen Regiesseure ausdenken, aber ich wurde da offensichtlich eines Besseren belehrt. – Gut, was ich dabei natürlich komplett übersehen hatte und worauf mich Mister Railway dann glücklicherweise hingewiesen hat: Wir hätten alle großes, großes Glück mit der Abteilzusammenstellung gehabt, denn wir hätten das Abteil ja auch mit 5 stinkende, schnarchenden, osteuropäischen (oder westeuropäischen, darum gehts hier nicht) Lastwagenfahrern teilen können, die sich als erstes die Schuhe ausziehen… Hmmm…. So gesehen nicht ganz von der Hand zu weisen. Er war in seiner Schilderung des Erlebten auch durchaus überzeugend.
Na ja. Die Fahrt ging also los und natürlich kann man in so einem Nachtzug so ziemlich alles machen, nur schlafen klappt eben nicht. – und wenn es dann doch kurz mal klappt, parkt die deutsche Bahn den Zug für 2 Stunden in Hannover unter so einem riesigen Flutlicht! Taghell! Spätestens dann wacht auch jeder wieder auf. Ganz großes Kino jedenfalls.
Lustigerweise sollte man jetzt auch nicht glauben, nur weil das eine strombetriebene Lok ist, könnte man in jedem Abteil sein Handy laden, um sich auf diese Weise etwas abzulenken. Natürlich nicht, dafür haben wir doch die Steckdose in der Toilette. Da muss man sich dann halt abwechseln… – und spätestens dort trifft man dann auch endlich den weiter oben beschriebenen LKW-Fahrer an!
Vor der Rückfahrt hatte ich mir noch Gedanken gemacht, wie ich wohl vom Bahnhof nach Hause kommen würde, weil in Hamburg die U-Bahnen ja nachts nicht fahren. Irgendwie muss da wohl jemand aus der Abteilung Service der Bahn meine Gedanken gelesen haben, denn als wir mit schönen 2 Stunden Verspätung morgens um sechs in den Hamburger Hauptbahnhof rollten, fuhren auch die U-Bahnen wieder und hey, das Problem war direkt gelöst. 😉
Ich bin dann mehr oder weniger direkt zur Arbeit und war kurz davor mein ‘ich möchte nicht über Fußball reden’ Shirt anzuziehen, aber offensichtlich war mein Blick für die meisten Kollegen vermutlich auch so ausreichend. Wir haben jedenfalls an dem Tag nicht mehr viel über den rollenden Ball gesprochen.
Insgesamt war das wieder mal so ein Erlebnis aus der Kategorie “warum tue ich mir diesen ganzen stressigen Mist überhaupt an?”. Die Frage kann man sich halt nur damit beantworten, dass es für jeden tollen, genialen, life changing Moment im Fußball leider auch immer mindestens eine Nacht wie die in Dortmund gibt.
Das ist der Deal, den wir alle damals mit dem großen Fußballgott abgeschlossen haben, als wir das erste Mal mit der Faszination Fußball in Kontakt kamen. Nachverhandelt wird nicht. 😉
April 24th, 2012 at 1:03 am
Tipp fürs nächste Mal:
mit der S1 zum Düsseldorfer Flughafen fahren, dort im Ankunftsbereich auf die gepolsterten Bänke (ohne Armlehnen) zum Schlafen legen und dann um 6.40h die erste Lufthansa-Maschine nach Hamburg nehmen. Kostet mit 3-4 Wochen Vorlauf und Gutschein-Einsatz 39 Euro, und ein REWE ist dort auch, wo man morgens noch frühstücken kann.
April 24th, 2012 at 12:47 pm
Danke für den Tipp! Das hört sich schon mal deutlich bessern an. Es wird aber unter Garantie auch keine Wiederholung dieses Modells geben. Das nächste Mal wird wieder geflogen oder das Auto bemüht. Lesson learned. 😉
April 24th, 2012 at 2:18 pm
klasse geschrieben jörn. lese deine berichte immer wieder gerne.
April 25th, 2012 at 3:41 pm
Toller Post!
April 27th, 2012 at 5:06 pm
Unterhaltsamer Bericht!
Ganz großer Sport war aber die automatische Google AdSense Werbung unter dem Bericht:
“Bahn Ticket bis -90%
Jeden Tag super billige Reisedeals. Angebote min. 50 bis 90% billiger! ab-in-den-urlaub.de”
June 7th, 2012 at 5:36 pm
War echt klasse gewesen im Stadion dabei zu sein. War mein erstes Live-erlebnis im Fussball gewesen und wird definitiv nicht mein letztes bleiben.
August 14th, 2014 at 9:17 am
Super Bericht!
Allerdings weißt du ja, dass Du ein sehr entscheidendes Ereignis an dem ganzen Trip ausgelassen hast 😉
Grüße