Rugby World Cup 2015: Same, same – but different! New Zealand All Blacks v Frankreich 62:13

New Zealand All Blacks, Rugby, Rugby World Cup 2015 Add comments

rwc2015_allblacks_france_1Kennt ihr das? Man erlebt etwas und irgendwie fühlt sich das plötzlich alles sehr bekannt an? Als wenn man es schon einmal erlebt hätte? Das nennt sich Deja Vu und ist nur in seltenen Fällen positiv besetzt. Als ich die Auslosung zum Rugby World Cup 2015 gesehen habe, hatte ich jedenfalls genau so ein Deja Vu. Auf der ganzen Auslosung stand eigentlich schon vorher drauf: Neuseeland gegen Frankreich, Viertelfinale im Millenium Stadium in Cardiff!

Deja Vu, weil es genau diese Konstellation schon einmal gab. Auch beim Rugby World Cup, auch in Cardiff, auch gegen Frankreich. 2007 war das und es war für mich eine der schwärzesten Stunden, die ich bisher in einem Stadion erlebt habe. Die wirklich schmerzhaften Dinger werden einem aus der Erfahrung kalt und von der Seite serviert. Der Abend damals in Cardiff war jedenfalls so eine Nummer. Interessanterweise haben alle diese Erlebnisse eines gemeinsam: Ich schaue vor dem Spiel auf die Aufstellung und denke ‘hmm, irgendwie eigentlich ja nicht so geil, aber wird schon gut gehen’. 2012 in Warschau war das ganz ähnlich. Anderer Sport, andere Mannschaft zwar, aber das Erlebnis fühlte sich sehr gleich an.

rwc2015_allblacks_france_4Die All Blacks sind damals jedenfalls als haushoher Favorit im Regen von Cardiff aus dem Turnier gecrashed. Frankreich ist absolut über sich hinaus gewachsen, hat sich die Seele aus dem Leib getackled, hatte in Thierry Dusatoir einen Anführer, der ein Spiel von einem anderen Stern ablieferte, hatte auch das notwendige Quäntchen Glück und stand am Ende verdient im Halbfinale des Rugby World Cups. – und ich stand ziemlich bedröppelt in Cardiff im Regen! Aus meiner Sicht logischerweise überhaupt nicht verdient!

rwc2015_allblacks_france_17Dieses Jahr sollte also alles anders werden. Das Turnier begann und die All Blacks sind doch eher langsam und mühevoll in ihrer Gruppenspiele gestartet. Das hat mir allerdings nicht viel Sorgen bereitet, denn an einem Gruppensieg habe ich nie gezweifelt. Ich fand es ganz im Gegenteil sogar gut, dass sie gegen Argentinien und Tonga richtig getestet wurden. Nun ja die Vorrunde war vorbei und es kam wie es immer kommen musste: Der Gegner hieß nicht Irland, sondern Frankreich! Auf dem Papier wäre Irland der schwerere Gegner im Viertelfinale gewesen, aber Frankreich ist eben eine Mannschaft voller Franzosen. Die haben die Eigenart absolut über sich hinaus zu wachsen, sobald es a) beim Rugby World Cup um ein Knockout Spiel geht und b) wenn sie die Mannschaft in den schwarzen Jerseys vor sich sehen! Wenn beide Dinge dann noch zusammen kommen ist es also noch mal extra blöd. Das ist doch immer wieder beeindruckend für mich, denn ich glaube es gibt weltweit keine Mannschaft, die weniger Respekt vor den All Blacks hat, als Frankreich. Egal wie gut die vorher im Turnier drauf sind, wenn sie Neuseeland vor die Nase bekommen spielen sie zwei Klassen besser. Vorsicht war also geboten!

IF

Ganz besonders gefreut habe ich mich im Vorfeld, dass ich neben Heike (und meinem ganz kleinen Traveller Joshua) auch ein paar tolle Menschen aus meinem Freundeskreis für diesen Trip nach Wales hinreichend begeistern konnte. Daggi und Volker, Helge und Stefan, Daniela und Olli waren also mit von der Partie. So waren wir am Ende tatsächlich eine echt schöne Reisegruppe, die sich da an einem Freitag Abend von Hamburg auf den Weg in die walisische Prärie machte.

rwc2015_allblacks_france_11Easy Jet nach Luton, kurz Mietwagen eingesammelt und entspannt nach Cardiff gejettet. – Nein man kann da nicht direkt hinfliegen, es sei denn man hat Geld wie Heu. Die Hotelsituation in Cardiff war auch wie immer eine ausgewachsene Katastrophe. Das ist bei einem Großevent da echt schlimm, einfach weil die Stadt im Prinzip viel zu klein für dieses Stadion ist. Wir haben uns die Übernachtungen also jeder für sich über Monate so zusammen gestückelt. Ich persönlich habe die Unterkunft weit über ein Jahr im Voraus gebucht. – Ich stand 2007 nach dem Spiel nämlich nicht nur im Regen, ich durfte dann auch noch 50 km ausserhalb schlafen! Not again!

Wir haben den Tag beim Bierchen dann langsam ausklingen lassen. Samstag sollte der große Tag werden. Matchday! Wir haben uns irgendwann alle in der Stadt getroffen und erst mal ein bisschen Atmosphäre getankt. Ein großes Rugbyspiel in Cardiff ist eine ganz, gaz tolle Sache! Die ganze Stadt ist voller Menschen und Fans, die Stimmung ist ausgelassen, aber in keinster Weise feindselig und die Pubs sind packed! Dann baut man noch das Stadion quasi direkt neben die Pubs, mitten in die Innenstadt und schon wird es automatisch ein toller Nachmittag. Ich liebe das in Cardiff alles sehr und würde es tatsächlich jedem mal als Erlebnis empfehlen. Irgendwann sind wir in einem dieser Pubs gelandet und haben dort das erste Viertelfinale des Tages geschaut. Das ging schon richtig gut los, denn es war ein total enges, tolles Rugbyspiel, wobei Wales leider verloren hat. Danach strömen alle Fans aus allen Pubs der Stadt und gehen im Prinzip über die Straße ins Stadion. Das an sich ist schon großer Spaß, denn im Gegensatz zum Fußball, ist das beim Rugby eine absolut friedliche Geschichte. Alle haben einfach eine gute Zeit in einer vollgestopften Innenstadt. Eine kleine Anekdote zur Verdeutlichung: Ich hatte mir im Shop einen Rugbyball gekauft und den die ganze Zeit dabei. Wenn man jetzt so die Strasse runter geht, kommen einem ständig mal Leute entgegen, die den Ball fordern. Dann passt oder kickt man den dahin und sie passen den wie selbstverständlich zurück – oder man ist an geistesgestörte Kiwis geraten, dann kann es auch passieren, dass die erst mal ein Stück mit dem Ball rennen, sich gegenseitig tacklen oder eine andere Spielsituation nachstellen. Das kann auch mal ne Weile dauern. :) Beim Fußball würde irgendein Asi den Ball vermutlich direkt in den Fluss kicken oder sonst wie zerstören. Könnte man direkt Geld drauf setzen. Beim Rugby ist dem glücklicherweise nicht so, der Ball kommt immer zu einem zurück.

Ich war aber naturgemäß schon ordentlich nervös, muss ich sagen. Eigentlich hatte ich den ganzen Tag ein relativ gutes Gefühl. Ich war irgendwie der Meinung, dass die All Blacks dieses Mal besser vorbereitet sind, besser mit Druck umgehen können, in Richie McCaw den besten Anführer besitzen und einfach auf dieses Spiel seit Monaten gezielt haben. Eigentlich war ich also schon zuversichtlich. Aber hey, am Ende ist es immer noch Frankreich (die essen Frösche!!) und bei denen weiß man echt einfach nie woran man ist! (und Schnecken!!) – Im tiefsten Inneren habe ich jedoch unausgesprochen gehofft, dass ich es einmal erleben darf, wie sie die so richtig weghauen!

Auf der Strasse war also die Hölle los und entsprechend lange haben wir bis zum Eingang gebraucht. Das ging aber nicht nur uns so, auch die Mannschaftsbusse der Teams hatten Schwierigkeiten durch zu kommen. Was muss das eigentlich als Spieler für ein geniales Gefühl sein, wenn man im Mannschaftsbus sich langsam zum Stadion vortastet und von allen Seiten angefeuert wird? Hammer!

Wir haben dann unsere Plätze eingenommen. Die Teams kamen raus, die Hymnen wurden gespielt und es konnte losgehen. Die All Blacks haben sich zum Haka aufgestellt und eine ultraaggressive Form von Kapa o Pango präsentiert! Hier ein Video:

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Das war sehr geil. Überraschend kam für mich, dass die Franzosen nichts gemacht haben. In früheren Jahren haben sie den Haka immer irgendwie mit einer eigenen aggressiven Reaktion gechallenged. Schon mal ein gutes Zeichen.

Das Spiel ging los und wurde von Beginn an von beiden Seiten sehr intensiv geführt. Es ging ein bisschen hin und her, es wurden Penaltypunkte getauscht und dann sorgte Brodie Retalick für den ersten Bang. Er blockte den Befreiungskick vom Franzosen und sprintete in die Endzone, erster Try New Zealand! Die Franzosen haben das aber recht gut weggesteckt und direkt mit einem weiteren Penaltygoal geantwortet. Eigentlich hätten sie mit einem weiteren Kick sogar wieder in Führung gehen können, aber glücklicherweise verschoss der Mann in rot. Es deutete sich zwar nicht an, was noch kommen sollte, aber es war zu sehen, dass die All Blacks konzentriert bei der Sache sind. Speziell die Forwards hatten sich offensichtlich einiges vorgenommen und gingen extrem körperlich zur Sache. Das ist im Rugby sehr entscheidend: Wer den Breakdown regiert, gewinnt meistens auch das Spiel. Beide Flanker der All Blacks hatten jedenfalls den richtigen Tag erwischt. Jerome Kaino war absolut riesig und McCaw auch.

Es ging dann eine Weile hin und her, aber so nach etwa 25 Minuten haben die All Blacks dann das Gaspedal durchgetreten. Das waren die besten 15 Minuten Rugby, die ich lange gesehen habe! Einfach weil sie die ganze Power ihres Angriffsrugby bei dem alle 15 Spieler fehlerfrei mitmachen in diesen 15 Minuten auf den Platz bekommen haben! Erst hat der elegante, wendige Wing der All Blacks, Nene Milner Skudder einen schönen Try produziert und dann kamen die 10 Minuten von Julian Savea, seines Zeichens der deutlich weniger elegante, aber dafür um so wuchtigere andere Wing der All Blacks. Den ersten Try legt ihm Dan Carter mit einem wirklich magischen Offload quasi noch auf dem Silbertablett auf, aber beim zweiten Try nur wenige Minuten später macht er sich selbst zur Legende: Den ersten Franzosen drückt er einfach weg und durch die nächsten beiden ist er dann durchgelaufen. Unstoppable! Das war aus der obersten Jonah Lomu Schublade in 2015. Ein sensationeller Try kurz vor der Pause! 29:13 New Zealand.

rwc2015_allblacks_france_16Einmal durchschnaufen. Die anderen Jungs waren da schon relativ entspannt, ich war jedoch so nervös wie eigentlich noch gar nicht an diesem Tag. Das lief schon wieder zu gut, war eine zu starke erste Hälfte. Dennoch war Frankreich ja nach wie vor in Schlagdistanz und 2007 lagen sie zur Pause ja auch richtig gut zurück. Ich war also alles andere als entspannt! Hat keiner um mich herum wirklich kapiert, glaube ich. 😉

Nun ja, die zweite Hälfte begann und schlagartig wurden meine Befürchtungen Wirklichkeit. Frankreich startete mit einem ganz anderen Elan in den zweiten Abschnitt. Das sah leider gut aus, war konzentriert und ging vorwärts. Gefiel mir mal überhaupt nicht. Tief in der Hälfte der All Blacks bekamen sie dann auch folgerichtig einen Penalty zugesprochen. Tja und dann hatte glücklicherweise einer dieser …(hier bitte selbständig ein französisches Klischee einsetzen) eine echte Brainexplosion! Sie haben den Penalty, aber er wollte es sich nicht nehmen lassen dem auf dem Boden liegenden McCaw noch mal schön eine mitzugeben. Die Gelegenheit erschien ihm wohl günstig. Blöd nur, dass heutzutage in nahezu jeder Sportart  TV Bilder den Ref unterstützen. Es war also relativ schnell klar wer da was gemacht hat. Gelbe Karte, 10 Minuten und eine Umkehr des Penalties waren die Folge. Das war für mich die spielentscheidende Szene! Denn nicht nur waren die All Blacks nach dieser fiesen Attacke auf ihren Kapitän hinreichend angestachelt, sie sind auch der absolut schlechteste Gegner, um einen Spieler weniger in der Verteidigung zu haben.

Sie beendeten also ihre kleine Schwächephase und nutzen die Gelegenheit. Fast automatisch folgte der Try durch Jerome Kaino. – und von da ging es dann abwärts für Frankreich. Richtig abwärts. :) Es kam das, was ich mir so tief im inneren gewünscht hatte: Die All Blacks haben nicht aufgehört, sondern die Franzosen in den letzten 20 Minuten richtig in die Erde gerammt. Da durfte dann jeder mal und es klappte wirklich alles. Wenn irgendwann die Props mit den Offloads anfangen und ein Linebreak nach dem anderen folgt, dann wird es ein sehr langer Abend. Und genau das wurde es für Frankreich! Try folgte auf Try. Neuseeland hat nicht nachgelassen und den Moment genutzt, ein für alle Mal ein Statement gegen diesen unangenehmen Rivalen zu setzen.

Endstand: 62:13 New Zealand All Blacks!

Ein wirklich historischer Moment, den wir da erleben durften, denn es war die höchste Differenz, die es jemals in einem Viertelfinale beim Rugby World Cup gegeben hat. – und es hat auch noch nie eine Mannschaft 9 Tries gemacht. :) Damit war, so irre das klingt, Frankreich am Ende sogar noch gut bedient, denn Neuseeland hat noch mindestens 2 fast sichere Trys durch eigene Fehler verschenkt.

Ich war danach einigermaßen geschafft, aber auch sehr, sehr glücklich! Was für ein schöner Abend, was für ein Geschenk das live erleben zu dürfen! Wir hatten dann noch einen wirklich tollen Abend in den Pubs von Cardiff und das ganze ein wenig gefeiert. Wir haben dann noch einen weiteren Tag in Cardiff verbracht und sind am Montag alle wieder zurück nach Hamburg geflogen. Das war insgesamt ein total schönes Wochenende, ein richtig runder Trip mit Freunden! Mein großer Dank gilt daher auch all den vorher schon genannten lieben Leuten für die schönen Tage in der walisischen Hauptstadt! Ohne euch, wäre es nur das halbe Erlebnis gewesen. :)

Der nächste Gegner im Halbfinale in Twickenham: Die Springboks aus Südafrika! Mir war eigentlich direkt nach dem Spiel klar, dass die nächste Partie anders verlaufen würde…

 

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