Rugby World Cup 2015: The last dance! New Zealand All Blacks v Australia 34:17
New Zealand All Blacks, Rugby, Rugby World Cup 2015 Add comments31.10.2015 Das Finale! New Zealand All Blacks gegen Australien! Back at Twickenham!
So ein Rugby World Cup kann durchaus eine anstrengende Angelegenheit sein, wenn man es ernst nimmt. Nun, ich habe diesen sehr ernst genommen. Viele Monate, gar Jahre im voraus mit der Vorbereitung begonnen, nach und nach Tickets gesammelt, hier eine Hotelbuchung, da eine Hotelbuchung. Immer vor dem Hintergrund, dass ich das Gefühl hatte: This is the last dance! Die große Generation der All Blacks tritt ab, Spieler deren ganze Karrieren ich über die Jahre verfolgen durfte.
Im Gegensatz zu einer Fußball Weltmeisterschaft spielen Rugbymannschaften in der Endrunde nur noch ein Mal pro Woche. Die Belastung ist so groß, körperlich ist das nicht anders möglich. Dadurch streckt sich so ein Turnier nach der Vorrunde entspannt über 3 Wochen. Da bedarf es einer gewissen Ausdauer und sicher auch ein wenig Verrücktheit. – ok, vermutlich mehr als ein bisschen Verrücktheit. Gut, das ist leicht. Bescheuerte Ideen habe ich glücklicherweise im Überfluss.
Das alles mündete in einen wirklich wunderschönen Spätsommertag Ende Oktober in Twickenham. Finale Rugby World Cup 2015: New Zealand All Blacks gegen die Wallabies aus Australien. Das ist immer ein Spiel mit Würze. Ein wenig wie kleiner Bruder gegen großer Bruder, wie Deutschland gegen Holland. Mit dem Unterschied zum Fußball, dass hier Holland meistens gewinnt. 😉 Zudem waren Neuseeland und Australien aus meiner Sicht auch die beiden besten Mannschaften bei dieser Weltmeisterschaft. So ein Duell in einem Finale um die höchste Ehre im Rugby, im größten Rugbystadion der Welt, es geht nicht viel besser!
Freund Helge war nach dem Viertelfinale in Cardiff erneut mit von der Partie. Es konnte also nur ein toller Trip werden. Auf den ausgetretenen Pfaden ging es also früh morgens wieder in die englische Hauptstadt. Somit auch wieder nach Heathrow, mit dem kleinen Unterschied, dass ich dieses Mal ein Hotel gebucht hatte. Welch absurd steile Lernkurve nach dem Reisedesaster in der Vorwoche! Ich glaube für so eine Nummer hätte mich Helge aber auch direkt erschlagen. Zu recht im übrigen!
Es war tatsächlich unfassbar gutes Wetter. Sonnig und warm, wer hätte das Ende Oktober gedacht. Wir sind also zum Stadion und haben da als erstes mal das Fanfest ausgecheckt. Ein paar Bier gegriffen, auf die Mannschaften gewartet, eine tolle Atmosphäre. Waren in der Vorwoche die Südafrikanischen Fans noch in der Mehrzahl, waren in dieser Woche vornehmlich Fans in schwarz vor Ort. Kein Wunder, schickte sich das Team in black doch auch an als erste Mannschaft den WM Titel zu verteidigen.
Rein in die Hütte, Oberrang leider, aber Twickenham hat keine schlechten Plätze. Die Nationalhymnen erklangen, Kapa o Pango Haka von den All Blacks und es konnte auch schon los gehen.
Ich habe schon öfters im Zusammenhang mit Rugby geschrieben, das Spiele auf diesem Level zu einem ganz maßgeblichen Teil im Breakdown, in der Kollision entschieden werden. Die Mannschaft, die dieses Armdrücken am schnellsten für sich entscheidet, hat einfach einen enormen Vorteil. Für die All Blacks ist das sogar noch mal doppelt wichtig, weil ihr Spiel darauf angelegt ist offensiv in die Breite zu gehen. Dafür benötigt man schnellen Ball und den bekommt man eben nur, wenn die Tacklesituation unter Kontrolle ist. Besonders wichtig sind hier die 3 Loose Forwards, die Spieler mit den Trikots 6,7,8. Vor dem Spiel galt die ganze Aufmerksamkeit der Medien den beiden Openside Flankern der Wallabies: David Pockock hat bis zu diesem Zeitpunkt tatsächlich auch ein wirklich überragendes Turnier gespielt.
Ein absoluter Weltklassespieler und Michael Hooper ist nicht viel schlechter. Alle sind davon ausgegangen, dass diese beiden Spieler in Topform das Finale entscheiden könnten. Nun haben die All Blacks allerdings auch eine Kombination in diesem Mannschaftsteil, die sich nicht verstecken muss. Kieran Read, Kaino und Richie McCaw. Alle schon etwas älter und man hat da unterstellt, jenseits des Zenits.
Auf dieses Duell, vor allem Kaino und McCaw gegen Pockock und Hooper hab ich mich die ganze Woche gefreut! Immer mit der Hoffnung verknüpft, dass der große Kapitän der All Blacks in seinem vermutlich letzten Spiel noch einen Pfeil im Köcher hat. Ich verfolge dessen Karriere seit vielen Jahren sehr eng, weil das eben der Spieler ist, der mich vor geraumer Zeit für Rugby begeistert hat. Neben aller Klasse auch ein absolut sensationeller Sportsmann. 148 Testmatches für die All Blacks, kein Spieler auf der Welt hat mehr Spiele für sein Land bestritten, 110 davon als Kapitän. Das ist an sich schon eine große Leistung, aber was ihn über alle anderen hebt ist, dass er diesen Rekord auf der physisch brutalsten Position im Rugby aufgestellt hat.
Der Openside Flanker ist eigentlich nicht für die lange Karriere vorgesehen. Zu stark ist die Belastung, zu hoch ist der körperliche Tribut. Er hat über die Jahre an Geschwindigkeit verloren, aber das ist nach wie vor der Spieler mit dem größten Motor, mit der größten Laufleistung. McCaw hat als Kapitän auch nur 12 Spiele verloren und ich kann mich an jedes einzelne erinnern. Das ist der Talisman der All Blacks, ihr Kapitän, der absolute Anführer!
Alle haben also vorher den Australiern hier einen deutlichen Vorteil zugesprochen. Nach den ersten 10 Minuten im Spiel war mir aber klar: Einen Schuss hat er noch. Ein ganz, ganz starkes Spiel von McCaw und eine seiner großen Qualitäten unter maximalem Druck die beste Leistung abrufen zu können. Waren die All Blacks im Halbfinale gegen Südafrika von Beginn an etwas zu passiv und auch mit zu wenig Aggressivität am Werk, erlebten wir hier gegen Australien das komplette Gegenteil!
Da war von Minute 1 eine enorme Physis im Spiel der Mannschaft in schwarz. Die Australier hat das sichtlich beeindruckt mit welcher Wucht Neuseeland da aus der Kabine kam und auf sie eingedroschen hat. Das ging richtig gut los! Der erste Try durch Nene Millner Skudder war nicht weniger als sensationell. Ein perfekt ausgeführter Spielzug über 5 Stationen, Try!
Zur Halbzeit führten die All Blacks folgerichtig mit 16:3. Es wirkte schon so, als wenn sie mit einem Bein durch sind. Aber hey, das ist Rugby und es kann sich wahnsinnig schnell drehen. Coach Hansen machte dann etwas, was die meisten Beobachter überrascht hat: Er brachte direkt in der Halbzeit Sonny Bill Williams, um das Mittelfeld der Wallabies mit noch einem wuchtigen Spieler neben Maa Nonu zu attackieren. Auch das hat die Australier sichtlich aus dem Konzept gebracht, denn im Prinzip direkt nach der Pause spielt Sonny Bill Maa Nonu im Raum frei und die All Blacks landeten den nächsten Punch. Try!
Viele dachten, ok, 21:3, das war es jetzt. Ich war aber weiterhin angespannt und nervös. Es war noch ewig zu spielen, kein Grund mit dem Feiern zu beginnen. Die All Blacks holten dann die Wallabies auch tatsächlich unfassbarerweise zurück ins Spiel. Mit überaus großer, eigener Dämlichkeit! Ben Smith bekam für einen hohen Tackle zurecht eine gelbe Karte, musste also 10 Minuten vom Feld und damit ist Neuseeland nicht gut umgegangen. Plötzlich witterten die Australier ihre Chance! Sie machten mit einem Mann mehr erst einen Try und dann noch einen hinterher und plötzlich hatten wir viel mehr Match, als ich für meine Stimmung gebraucht hätte.
Ich glaube noch 2007 / 2008 hätten die All Blacks jetzt dieses Spiel verloren. Momentum war total bei Australien und Neuseeland wirkte plötzlich fahrig und unsicher. Diese Mannschaft ist aber genau das was man den All Blacks über Jahrzehnte immer mit Recht abgesprochen hat: Total stark unter Druck! Die erfahrenen Anführer nahmen jetzt das Heft in die Hand. Vor allem Dan Carter zeigte, dass er dieses, auch für ihn letztes Spiel im schwarzen Jersey, auf keinen Fall verlieren wollte! Carters Karriere bei Weltmeisterschaften ist bis zum Turnier in England von viel Pech und Verletzungen geprägt gewesen. Um so mehr hat er in dieses Turnier gelegt. Das war von ihm ohnehin bis zu diesem Zeitpunkt schon ein sehr gutes Spiel, dem Spielmacher, der Nummer 10, aber die letzten 20 Minuten hat er sie über die Ziellinie getragen.
Hat er gegen Südafrika schon ein wahnsinniges Dropgoal getroffen, war das gegen Australien im Finale noch schwerer und unglaublicher. Sehr große Distanz, aus der Bewegung, den muss man erst mal machen. Eine ganz wichtige Beruhigungspille für flatternde Nerven. Als er nur wenig später auch noch fast von der Mittellinie am absoluten Rand seiner Range einen Penalty verwandelt hat, hatten die All Blacks das Spiel wieder unter Kontrolle.
Danach haben sie nichts mehr anbrennen lassen. Als Beauden Barret dann nach einem Sprint über das ganze Feld mit einem weiteren Try das Spiel endgültig besiegelte, kannte der Jubel keine Grenzen mehr.
Der Moment der Pokalübergabe:
Ich habe das wirklich so sehr genossen, das ist schwer zu erklären. Irgendwie schloss sich da für mich ein Kreis. Das hat mich so sehr für die Mannschaft und vor allem für McCaw gefreut, dass sie diesen Pokal erneut in den Nachthimmel von Twickenham strecken konnten, schwer in Worte zu fassen. Ein ganz genialer Tag mit einem wunderschönen Abschluss!
Nach der Siegerehrung gab es noch eine Ehrenrunde und in guter Kiwi Tradition einen Haka vor den Fans:
Im Nachhinein war es dann tatsächlich das letzte Spiel vieler. Von Daniel Carter, von Richie McCaw, von Maa Nonu, von Conrad Smith, von Keven Mealamu.
Es bedeutet mir unfassbar viel an diesem 31.10.2015 live im Stadion dabei gewesen zu sein!
2019 in Japan auf ein Neues? Mal schauen. Wobei… Ich war ja noch nie in Japan!?
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