Rugby World Cup 2015: Halbfinale! New Zealand All Blacks vs Südafrika Springboks 20:18

New Zealand All Blacks, Rugby, Rugby World Cup 2015 Add comments

rwc2015_new_zealand_all_blacks_springboks_7Halbfinale! Kaum ist eine Woche seit dem sensationellen Viertelfinale in Cardiff vergangen, bin ich schon wieder auf der Insel. Das schöne an so einem Rugby World Cup in England ist, dass man im Prinzip echt jede Woche zu den Spielen hinfliegen kann. – Das schlechte ist, dass Leute wie ich das dann tatsächlich in einem Anfall von Geistesgestörtheit auch machen. :) Mir war allerdings im Sport lange etwas nicht mehr so wichtig, wie dieses Turnier! Ganz einfach weil es vermutlich die letzten Gelegenheiten sein würden, die große Generation der All Blacks um Daniel Carter, Maa Nonu und Richie McCaw live zu sehen. Ich war mir dessen vor dem Turnier relativ sicher. Jeder dieser Spieler wird enorme Lücken hinterlassen und wie so oft im Sport wird man die wahre Größe eines Spielers erst erkennen, wenn er nicht mehr da ist. Die guten sind dann weg und verblassen recht schnell, die Legenden allerdings sind nicht nur weg, sie fehlen auch. Man vermisst sie. Ich war mir sicher, dass ich vor allem McCaw auf dem Rugbyfeld vermissen werde und ich wollte keine Gelegenheit den noch mal live zu sehen verpassen.

rwc2015_new_zealand_all_blacks_springboks_13Dieser Kurztrip führt also direkt in der Kathedrale des World Rugby, nach Twickenham! Jenem verschlafenen Londoner Vorort, den keine Sau kennen würde, wenn da nicht mitten im Dorf so ein riesiges Ufo gelandet wäre. – fairerweise muss man aber sagen, die Engländer haben auch ein paar alienartige Spieler im Team. Wie auch immer. Dort steht also das größte reine Rugby Stadion der Welt, der ganze Stolz des englischen Rugby Verbandes und aus meiner Sicht eine der schönsten Sportstätten in Europa. Immer einen Besuch wert, zu so einem besonderen Anlass natürlich alle Male.

rwc2015_new_zealand_all_blacks_springboks_11Bei meiner Reiseplanung habe ich zur Abwechslung mal was neues gemacht: Morgens hinfliegen, abends nach dem Spiel zurück fliegen. Also keine Übernachtung, sondern ein ganz, ganz kompakter Trip. – Hinterher wusste ich dann wieder, warum ich sowas normalerweise nicht mache, aber dazu später mehr.

rwc2015_new_zealand_all_blacks_springboks_10Die Anreise war aber noch ganz brauchbar. Ich bin also gut gelaunt in Heathrow gelandet und mit Bus und Bahn ins englische Rugbydorf gefahren. Twickenham ist tatsächlich aus nahezu allen Richtungen ziemlich mies zu erreichen, aber von Heathrow geht es noch einigermaßen einfach. – Daran kann man dann auch erkennen, wie weit draussen dieser Vorort liegt, denn Heathrow könnte ja auch von der Lage her problemlos als Hauptflughafen von Wales durchgehen!

Das Wetter war erst leider ziemlich bescheiden. – Baute dann aber zügig ab und wurde immer schlechter. 😉 Nun  ja, egal, wir sind ja nicht hier um einen Strandtag einzulegen.

rwc2015_new_zealand_all_blacks_springboks_8Ein Halbfinale ist vermutlich bei jeder Weltmeisterschaft in jeder Sportart etwas Besonderes, ein Spiel auf Messers Schneide, eine spannende Angelegenheit. Nach dem Viertelfinale gegen Frankreich allerdings sind die Medien hinsichtlich der All Blacks während der Woche schon wieder im Überflugmodus gewesen. Da wurde den Springboks nicht viel Chance eingerechnet. Ich hab das total anders gesehen, denn so wie die Franzosen gegen die All Blacks immer besonders aufdrehen, lassen sich die Springboks von keiner Mannschaft vom Feld fegen. Von keiner einzigen. Dafür sind die einfach zu physisch, zu stolz und auch zu erfahren. Das passiert einfach nicht und ich habe es auch keine Sekunde für möglich gehalten. Ganz im Gegenteil sogar, ich war mir sicher es wird eng, es wird anstrengend, es wird vielleicht sogar schief gehen. Keine Mannschaft kennt Neuseeland so gut wie Südafrika und ich würde meinen es gibt auch keine andere Mannschaft, die den All Blacks von der Rugby DNA so ähnlich ist. Nicht weil die Boks so unglaublich offensiv mit dem Ball agieren, sondern weil sie ganz starke Setpieces (Scrum, Lineout) haben und vor allem weil sie immer versuchen den Breakdown physisch zu dominieren. – Wie die All Blacks auch. Wer den Breakdown kontrolliert, wer mit seinem Forwardpack kontinuierlich über die Advantage Line kommt, wird im Rugby immer beste Siegchancen haben.

rwc2015_new_zealand_all_blacks_springboks_9Ich bin also ein wenig rund ums Stadion geschlendert und habe die Atmosphäre eingesaugt. Ganz beeindruckend dabei: Es waren wahnsinnig viele Fans der Springboks vor Ort! Die meisten sind kurzfristig aus Südafrika eingeflogen, man rechnete sich offensichtlich etwas aus.

Meine Anspannung war irgendwann auch zu groß, als das ich das Drumrum noch wirklich genießen konnte, also bin ich rein und habe den Anpfiff abgewartet. Der kam dann glücklicherweise auch sehr bald, los ging es!

rwc2015_new_zealand_all_blacks_springboks_6Das Spiel war dann die erwartet harte und enge Angelegenheit. Diese beiden Teams schenken sich einfach grundsätzlich nichts und entsprechend körperlich ging es da zur Sache. Von Beginn an war das eine echte Schlacht! Nicht unbedingt schön anzusehen, nicht sonderlich filigran, aber dafür absoluter Kampf! Ich persönlich finde diesen Level an Aggressivität und Härte toll. Das ist etwas, das für mich die Faszination von Rugby als Sportart ausmacht. Tja und da unten waren gerade die beiden besten Mannschaften der Welt in dieser Kategorie dabei rauszufinden, wessen Defense zuerst zusammenbricht.

rwc2015_new_zealand_all_blacks_springboks_4Südafrika hatte einen sehr guten Start: Sie sind direkt nach Anpfiff in Führung gegangen. Die All Blacks haben das jedoch direkt mit einem eigenen Try durch Jerome Kaino gekontert. Von da an blieb das Spiel eng. In der ersten Hälfte lief es genau wie die Springboks es mögen: Ganz harte Kollisionen, viele Kicks, driving mauls und wenn sie einen Penalty bekommen, kickt den Handre Pollard rein! Das weiß eigentlich jeder vorher, es ist dennoch so schwer zu überwinden. Die New Zealand All Blacks hatten damit so ihre Probleme. Leider trat auch das ein, was ich befürchtet hatte: Nach der riesen Partie gegen Frankreich war dieser Auftritt von geringerer Energie und mehr Fehlern gekennzeichnet. In der ersten Hälfte haben die Boks den Breakdown absolut kontrolliert. Die All Blacks sind einfach nicht so richtig ins Spiel gekommen. Fast folgerichtig führten die Springboks zur Pause mit 12:7.

rwc2015_new_zealand_all_blacks_springboks_3Ich muss sagen, ich war da total nervös! Einfach weil es eben gar nicht gut für die All Blacks aussah und das Spiel bisher absolut so lief, wie sich die Südafrikaner das gewünscht haben. Anpfiff zur Halbzeit 2. Es entwickelte sich jetzt eine Art ganz verbissen geführter Ringkampf. Überhaupt nicht schön anzusehen, aber total intensiv, absolut eng und vor allem sehr, sehr spannend! Für meine Geschmack deutlich zu spannend. ich glaube ich hatte da gefühlt 350 Puls, ohne Quatsch.

rwc2015_new_zealand_all_blacks_springboks_14Immerhin kamen die All Blacks mit einem anderen Energielevel aus der Kabine. Das sah deutlich besser, deutlich aggressiver aus, als noch vor dem Break. Dan Carter sendete dann auf seine Art ein deutliches Zeichen, indem er ein wirklich unfassbares Drop Goal versenkte! Aus großer Distanz, aus der Bewegung, ganz großer Skill.

Es ging weiter hin und her. Man tauschte Penalties und Punkte und obwohl die All Blacks in Führung gingen, ließen sich die Springboks einfach nicht abhängen. Die waren offensiv zwar limitiert, aber sie haben wirklich jeden Fehler Neuseelands verwertet. Handre Pollard hat da echt ein ganz großes Kicking Game abgeliefert.

Die letzten 10 Minuten waren dann aus der Schublade, die meinetwegen nicht geöffnet werden muss, wenn ich in einem Stadion sitze. Maximale Anspannung, maximaler Kampf auf Messers Schneide. Es stand 20:18 für Neuseeland, wenige Minuten noch zu spielen und dann fing es auch noch richtig an zu regnen. Im Regen von Twickenham haben die All Blacks dann versucht diesen Vorsprung über die Ziellinie zu bringen. Südafrika hat alles gegen sie geworfen, alles probiert. Das war wirklich sehr, sehr eng. In solchen Spielen sind es kleine Momente, die den Ausschlag geben. Hier war es eine Lineout tief in der Hälfte der All Blacks. Im Verlauf des Spiels haben die Boks immer wieder Penalties aus der Lineout generiert. Einwurf, driving maul, die All Blacks machen einen Fehler, Penalty. So ähnlich lief es auch vor meinem Auge ab, als sie sich da aufstellten. Ich dachte echt: Jetzt gehen die gleich in Führung und dann ist Asche! Aber Sam Whitelock konnte den Ball glücklicherweise stehlen und mich damit am Leben halten. Blöd nur, dass sie ihn gleich wieder zurück zu den Boks gekickt haben.

Die letzten 2-3 Minuten hätte ich dann gerne alle Profifussballer dieser Welt mal eingeladen sich anzuschauen, was Teamsport am Ende des Tages eigentlich ausmacht. Das konnte man nämlich in diesen Minuten in Twickenham sehen. Wie das aussieht, wenn eine ganze Mannschaft, obwohl körperlich nach dieser Schlacht völlig am Ende, wirklich um ihr Leben verteidigt und fighted! Beide Teams waren am Ende, aber beide haben im starken Regen von Twickenham einfach noch mal alles, alles reingelegt. Ich glaube, wenn ich da neutraler zugeschaut hätte, wäre ich total begeistert gewesen. So jedoch habe ich nur völlig angespannt auf den einen Fehler der Boks gewartet.

Als der dann endlich, endlich kam, der komische Franzose abpfiff, sind da 30 Spieler völlig erledigt auf die Erde gefallen und viele Zuschauer in schwarz erleichtert und ebenso erledigt in die Höhe gesprungen. Finale! Was für ein Match, was für eine Schlacht!

Ich war echt völlig fertig.

rwc2015_new_zealand_all_blacks_springboks_15Leider konnte ich das nur noch ein paar Minuten genießen, denn es galt ja noch einen Flug zu bekommen. Ich bin also raus aus dem Stadion und wollte schnell mit der Bahn nach Heathrow fahren. Wollen wir mal sagen, es war zeitlich alles nicht zuuu großzügig geplant… Schöne Idee jedenfalls und ich war auch extrem schnell in der Bahn, blöd nur, dass diese dann nicht fuhr. Noch blöder es fuhr plötzlich überhaupt keine Bahn mehr! Meine Reaktion war darauf noch ganz gut, denn ich bin bei der Durchsage sofort aus dem Bahnhof gestürmt, während alle anderen noch am überlegen waren. Hat mir aber auch nicht sehr viel geholfen, denn ganz Twickenham war ohne die Bahnen total verstopft. Kein Bus, kein taxi, kein gar nichts mehr.

Ich hatte dann mangels Alternativen die spinnige Idee zu Fuß nach Heathrow zu laufen. Nach so einer halben Stunde sehr strammen Marsches, gab mir ein Blick auf meine Karten App aber ein eindeutiges Feedback: Jörn, das kannst du echt absolut vergessen! :)

rwc2015_new_zealand_all_blacks_springboks_16In solchen Situationen kommt dann meine gute, alte, mehrfach bewiesene Reise-Weisheit zum Tragen. Es hilft nur noch: Throwing money at the problem! Es gab zwar keine Taxis in Richtung Heathrow mehr, aber in die andere Richtung standen ein paar gebucht in diesem Super-Stau. Ich bin also zu so einem dieser nicht verfügbaren Taxis im Stau hin und habe kurz mit dem indischen Fahrer das Gespräch gesucht. Ich hab ihm gesagt, dass er jetzt noch ne Stunde hier nutzlos im Stau stehen kann oder umdreht, seine gebuchte Fahrt ignoriert und mich für gutes Geld nach Heathrow bringt. – Bei sowas mag ich ja den Geschäftssinn unserer indischen Mitbürger. :) Der hat da direkt von Bestandskundenbindung auf Neukundenaquise umgeschaltet. Eine tolle Flexibilität! :)

Das Ende vom Lied war, dass ich nach einem kurzen Lauf über den Flughafen doch noch nach Hause fliegen konnte. Zudem um die Erkenntnis reicher war, nächstes Mal das Geld anstatt in ein Taxi wieder in ein Hotelzimmer zu investieren!

Aber egal, Finale!!!

 

 

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