Olympic Diaries London 2012 Episode 6: Verdammt, da ist ein Feuer im Stadion!

London 2012, Olympische Spiele, Randsportarten Add comments

So ein Olympiapark ist ja doch deutlich größer, als man vor dem ersten Besuch unterstellt. – Besonders nachhaltig fällt einem das auf, wenn man es eilig hat vom Bahnradfahren zur Leichtathletik zu kommen. 😉 Wir sind also nach dem tollen Erlebnis im Velodrome recht zügig zum Olympiastadion gegangen, vorbei an einer Horde australischer Fans und noch gerade so vor der nächsten Regen-Attacke des Londoner Wetters.

Leichtathletik also. Leichtathletik ist ja vermutlich für so ziemlich jeden Sportanhänger die Mutter aller Olympiasportarten, the godfather of Sports, – und das alles nur weil vor vielen hunderten von Jahren ein Typ nichts besseres zu tun hatte, als knapp 42 Kilometer durch die karge griechische Steppe zu rennen. – und das war vor der Eurokrise! An dieser Stelle muss man es den jungen Menschen einmal so deutlich sagen: Nein, diese nutzlose Dauerrennerei hat nicht Nike erfunden, das war ein Grieche! Das ist echt ein unglaublich ironisches Grinsen der Geschichte, denn würde man heute ne Umfrage machen, welches Volk hat den wichtigsten und härtesten klassischen Ausdauer-Langlauf-Wettbewerb erfunden, würde da bitte aber auch nur irgendeiner “die Griechen” antworten…?? 😉  Für mich persönlich ist Leichtathletik bei Olympia so ein bisschen wie Löwen auf einer Safari: Alle wollen sie sehen, sie sind im Prinzip relativ uninspiriert und langweilig, aber hey, sie bleiben halt immer noch Löwen, die Könige der Tiere. 😉 Es will ja auch niemand von einer Safari durch Afrika zurückkommen und keine Löwen gesehen haben. So ähnlich verhält es sich für mich auch mit der Leichtathletik bei Olympia. Das wird jetzt sicher nicht jeder so sehen, aber zum einen kann man mir sicher nicht vorwerfen zu wenige Sportarten mit Interesse zu verfolgen, zum anderen war ich schon einmal bei der Leichtathletik: Bei der WM 2009 in Berlin – im übrigen auch mit Usain Bolt.

Leichtathletik ist aber nun mal dennoch der Ursprung olympischer Spiele, die Sportart um die sich früher alles drehte und letztendlich somit auch irgendwie noch heute der Kern der Olympics. Das kann man drehen und wenden wie man will: Ohne Leichtathletik keine Olympischen Spiele, dementsprechend ist auch kein Besuch der Olympics komplett, ohne einmal den Fuß ins Olympiastadion gesetzt zu haben.

Erschwerend kam in diesem Zusammenhang in London noch hinzu, dass erstmalig (wenn ich es recht entsinne) das olympische Feuer, das wichtigste Symbol der Spiele neben den bunten Ringen, nicht wie üblich von überall im Olympiapark zu sehen war, sondern nur aus dem Innenraum des Olympiastadions. Das gab für mich letztendlich den Ausschlag meine Anstrengungen auch in Bezug auf Leichtathletik Tickets noch einmal deutlich zu intensivieren. Ich dachte mir so: Es kann ja wohl überhaupt nicht sein, dass wir nach London fahren, zu so haarsträubenden Sportarten wie Fechten gehen, aber am Ende noch nicht mal einen Blick auf die Flamme werfen können!! Das ist einfach inakzeptabel.

Bei der Jagd nach den begehrten Tickets habe ich dann tatsächlich den absolut, ultimativen super Adrenalinflash erlebt! Die Geschichte muss ich kurz erzählen, weil sie einfach total unglaublich abgelaufen ist. 😉 Man stelle sich vor: 3 Tage vor unserem Abflug nach London hatte ich noch kein Leichtathletikticket am Start. Es gab zwar durchaus einige Chancen, aber entweder ich war schlicht zu langsam oder der Ticketprozess ist auf der leidigen Ticketmasterseite einfach abgebrochen. Eine sehr nervige Situation, wenn einem das passiert. Na ja, ich habe jedenfalls meine Felle in dem Thema absolut davon schwimmen sehen, weil mir eben die Zeit weggelaufen ist. Die schwammen echt schneller weg, als unser lustiger Kanute durch den Wildwasserstrom gespült wurde. Im Prinzip war das echtes Ticketrafting.

Anyway, 2 Tage vor Abflug habe ich dann meine Strategie geändert und bin in der Suche von 2 Tickets auf 1 Ticket umgeschwenkt. Die Idee dahinter war so ein bisschen der eins nach dem anderen Ansatz, unterm Strich aber ein Akt der Verzweiflung. Nach wie vor ging es natürlich um die günstigen Kategorien, da gerade bei der Leichtathletik die Veranstalter doch mit dem Ziel unterwegs waren mal ganz neue Höchstmarken für Tickets zu setzen. – In der Topkategorie beim 100 Meter Finale der Männer wäre man pro Sekunde Usain Bolt mit knapp 80 Pfund am Start gewesen… 😉 Topkategorie wie gesagt.

Mir gelang es dann also in einem der genannten abendlichen Zeitfenster 2 Tage vor Schluss ein Ticket aus dem Shop zu saugen. Ich war da sehr schnell und in so einer Phase des “jetzt lassen wir den Ticketshop abends mal besser nicht mehr aus den Augen” unterwegs. Ein Ticket war also schon mal da, für mich stand aber immer fest, dass ich nicht ohne Heike zum Feuerwehrball gehen werde. Heißt also nicht anderes als, ein zweites Ticket muss her. Irgendwie. Das Problem ist dabei aber leider: Wenn man zeitlich schon maximal am Limit ist, was die Suche angeht, kann man eigentlich nur noch auf so einen kleinen Gustav Gans Moment hoffen. – Als der Tag des Abflugs gekommen war und die Situation sich nicht verändert hatte, hab ich dann eher auf so einen lottogewinnmäßigen Glücksfall gesetzt. Ich werde in solchen Momenten aber grundsätzlich sehr bockig und weigere mich einfach die Realität (ausverkauft, lass es jetzt!) zu akzeptieren. Das führt zwar nicht immer zum Erfolg, aber Beharrlichkeit ist neben Zeiteinsatz der zweitwichtigste Erfolgsfaktor, wenn es um begehrte Tickets geht.

Die Beharrlichkeit hat sich in diesem Fall so ausgedrückt, dass ich vom Computer mangels Mobilität auf das Smartphone umgeschwenkt bin und halt dann dort den Ticketshop auf dem Weg zum Flughafen sozusagen dauergereloaded habe. Immer ein Auge auf den Ticketshop, mein Mantra. 😉 Das Flugzeug hatte dann glücklicherweise ne halbe Stunde Verspätung und als ich so reload drückend in der Boardingschlange stand, sozusagen die letzten Zuckungen, ZACK, da kamen die Tickets in den Shop! :) Ich habe im Prinzip mit der einen Hand meine Bordkarte gescannt und mit der anderen auf dem Smartphone das Ticket aus dem Shop gezogen. Plötzlich leuchtet auf dem Screen Congrats + Bestätigungsnummer, es hat tatsächlich noch geklappt. Ein RIESENSTRIKE!!!!!!! :) Pulsschlag 250, so ein wirres Zittern und eigentlich war mir direkt nach schreiend durch den Flughafen rennen. Da Airlines darauf aber nicht so stehen, hab ich es unterdrückt. Aber was für ein geiles, intensives Gefühl! Einmalig und mit Sicherheit einer der extremsten Last-Minute-Nummern, die ich im Ticketthema bisher erlebt habe. Wie sagte schon unser großer Torwart mit den billigen Blondinen: Niemals aufgeben!!

Sowas passiert nicht oft, aber wenn, dann ist der gleiche Effekt mit nichtkörpereigenen Drogen für unserereins nicht zu bezahlen.

Ihr könnt mir glauben, da konnte der Trip dann aber mal so richtig los gehen. 😉

Die Geschichte und die ganzen Mühen hat man dann natürlich noch voll im Hinterkopf, wenn man dieses große, wirklich tolle Olympiastadion betritt. Ein ganz besonderer Moment war das, auch wenn die Griechen schon lange nicht mehr so weit rennen und es ja wie gesagt letztendlich alles nur Löwen sind. 😉

Aber alleine dieses olympische Feuer aus der Nähe sehen zu können, hatte schon was, das muss ich schon zugeben! Glücklicherweise waren unsere Plätze auch auf der Seite mit der Fackel, wir hatten also eine optimale Sicht auf die sportlichen Aktivitäten und das brennende Symbol.

Leichtathletik im Stadion kann man objektiv betrachtet nicht ganz so gut verfolgen, wie am Fernseher, da zum einen sehr viele Dinge parallel ablaufen und zum anderen naturgemäß mindestens die Hälfte der Entscheidungen auf der anderen Stadionseite passieren. Wir hatten zwar ein kleines Fernglas dabei, ein praktischer kleiner Helfer in dieser Situation, aber die Übersicht verliert man dennoch wahnsinnig schnell. Bei den Laufwettbewerben geht das ja noch, aber bei Wurf und Sprungdisziplinen ist es nahezu unmöglich dem Wettkampf durchgehend zu folgen. Es bleibt dabei auch sicher ein großes Geheimnis der Engländer, weshalb sie ein riesiges Stadion mit 4 riesigen Screens bauen und dann auf allen 4 Bildschirmen konstant nur das Logo der Olympics gezeigt haben. Da hätte man ja sonst so irre Dinge drauf anzeigen können, wie Ergebnisse, Zwischenstände, Wiederholungen… Verrückte Idee! 😉

Das hat dem Spaß aber insgesamt überhaupt keinen Abbruch getan. Auch die Tatsache, dass deutsche Leichtathleten entweder gar nicht erst den Weg in den Startblock gefunden haben  oder falls doch, gnadenlos unerfolgreich unterwegs waren, hat uns ehrlich gesagt rein gar nicht interessiert. Die Atmosphäre war gut, wir waren drin, 2 Bier in den 18. Stock geschleppt, alles andere spielte da keine Rolle. :)

Vor unserer Nase / Kurve fand übrigens die Medaillenentscheidung im Kugelstossen der Frauen statt: Wir waren aus alter Verbundenheit klar für die riesige Maorifrau aus Neuseeland, aber am Ende hat doch die gedopte Weissrussin gewonnen. Ihr Lohn: Ein Leben lang Wurst umsonst! – Kein Scherz. Die in Weissrussland wissen, wie man die eigenen Sportler zur Höchstleistung motiviert. Vielleicht sollten wir das auch mal probieren? Bei Britta Steffen mal so ein lecker durchgebratenes Steak ins Becken halten und schon flutscht es im Becken. – Ok, ein paar Tage später kam raus, dass die Wurstgewinnerin leider tatsächlich gedopt war. 😉 Wie wir hörten gab sie die Goldmedaille widerstandslos zurück, wollte das Wurstthema aber zwingend noch mal nachverhandeln. 😉

Tja und am Ende war Stratford wieder mal currently very busy, die Volunteers haben noch mal Happy Pills nachgeworfen, um den ganzen Zuschauern fröhlich mit den wackelnden Schaumstofffingern den Weg zur Bahn zu weisen und im Megastore wurde immer noch verzweifelt versucht die einäugige Wucherung… äh… das Maskottchen irgendwie an den Mann zu bringen. – Erfolglos, versteht sich.

Alles in allem ein total gelungener Tag bei den olympischen Spielen 2012 in London! – Und am allerbesten: Wir waren noch immer nicht am Ende. 😉

3 Responses to “Olympic Diaries London 2012 Episode 6: Verdammt, da ist ein Feuer im Stadion!”

  1. Heike Says:

    Um es also kurz zusammenzufassen: “Wo laufen sie denn?!” 😉

    Einfach ein total toller Olympiatag!

  2. Stefan Says:

    Leichtathletik ist einfach super!! :)
    …wobei ich sagen muss, dass ich die Seite mit Hochsprung/Stabhochsprung favorisiere.

    wars eigentlich kompliziert, die beiden Einzeltix zusammenzutauschen?

  3. p.ek Says:

    irgendwie hat diese megacoole olympiastimmung auf die blogberichte positiv gewirkt, vor allem die ersten 4 lesen sich absolute weltklasse 😉 bei weitem die besten berichte des livesport blogs :-) …. hauptsache keine spur mehr vom düsteren frühling 😉

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