Livesportfan Blog

So, da meine Erlebnisse so langsam die Anzahl meiner Erlebnisberichte übersteigen, wird es jetzt mal Zeit die letzten beiden Wochen ausführlich aufzuarbeiten. Ich fange damit direkt heute an.

An meinem Loftus Road Wochenende bin ich ja eigentlich nur mangels echter Alternativen bei QPR gelandet (was mich aber sehr freut), denn die Grundidee war von Beginn an die San Francisco 49ers zu schauen. Ich liebe San Francisco als Stadt wirklich sehr, schaue gerne Football und habe eine persönlich doch sehr enge Bindung zu den 49ers. Deren große Vergangenheit hat mich Ende der 80er Jahre mit Football in Berührung gebracht und ich habe durchaus einige sehr spezielle Momente im Candlestickpark in San Francisco erlebt. Das sind dann stories aus meiner vergammelten “Classics”-Schublade, ich werde bei Gelegenheit sicher noch mal darüber schreiben.

Nun hätte ich mit die Niners wohl auch gegen jedes andere Team aus der NFL in London angeschaut, aber gegen die Broncos hatte es noch eine sentimentale Bedeutung: Ich war 1997 mit meinem Freund Jörn in San Francisco und wir haben die 49ers live monday night gegen Denver gesehen. Ein Highlight der Kategorie ‘once in a lifetime’, denn es war der Tag an dem sie Joe Montanas Nummer 16 aus dem Verkehr gezogen haben. Zufall! Montana Monday, wie es damals so treffend hieß. Irgendwann dazu sicher mal mehr. 😉

Jedenfalls eine durchaus spezielle Paarung mit viel Erinnerungen für uns und deshalb stand dieser Trip nie zu Disposition. Tja, leider hat die aktuelle Mannschaft der 49ers mit dem damaligen Team ausser den Farben nichts mehr gemeinsam. Mit großen Erwartungen in die Saison gestartet, war es bisher doch eine einzige Enttäuschung. Eine schlechte Leistung wurde von einer noch schlechteren getoppt. Manchmal war ich in den letzten Wochen geradezu fasziniert, wie schlecht man spielen kann. – Erschwerend kam dann eigentlich nur noch hinzu: Denver hat ein genau so übles Jahr….

Ungünstige Vorzeichen also, aber es ist und bleibt Wembley und meine Mannschaft, dementsprechend nicht lange diskutieren, rüber da.

Am Sonntag sind wir also entspannt mit der Tube nach Wembley rausgedüst. Da es beim Football immer sehr viel Aktion drumrum gibt, waren wir auch zeitig vor Ort.

Man muss sagen, die NFL hat sich dieses Jahr bei der Organissation des Events absolut Mühe gegeben, wahrscheinlich auch aufgrund der sehr schlechten Leistungen der beiden Teams. Die wussten auch: Werbung für Football dürfte das nicht werden, also müssen wir mehr machen. Es gab ein riesiges Partygelände vor dem Stadion und wenn die Amis was können, dann ist es die Ausrichtung solcher Veranstaltungen! Perfekt organisiert, richtig viel Unterhaltung, absolut bemerkenswert. Das muss man schon neidlos anerkennen, Entertainment ohne Ende. Und im Thema Merchandising machen die allen Fußballvereinen doch gehörig was vor. Eigentlich haben sie im Fanshop nur Trikots der einzelnen Mannschaften und Caps verkauft, aber da war ein Andrang, faszinierend!

Einzig und allein die Security ging mir richtig auf den Sack. Typische amerikanische Super-Paranoia! Abtasten ist ja ok, aber man muss aus meiner Sicht Leute, die lediglich auf dieses Partygelände wollen (nein, nein… nicht ins Stadion, um Gottes Willen…), nicht in dieser akribischen Art und Weise filzen. Vor allem nicht, wenn man ohne Ticket sowieso nicht reingelassen worden wäre!!! Ich habe mir das jetzt mal so erklärt: Die Amis denken ja immer sie sind der Mittelpunkt der Welt und wahrscheinlich leiten sie daraus auch ab, dass dieses Spiel die absolute Oberzielscheibe für Menschen mit finsteren Gedanken sein muss. Dass es ausser die wahren Fans in London keine Sau interessiert, ging dabei irgendwie unter… Bei sowas könnte ich immer einen Hals kriegen, Wahnsinn.

Egal, das hat mich 2 Minuten geärgert (könnten auch 5 gewesen sein…) und danach hab ich einfach die Atmosphäre genossen und den Ärger mit einer seltsam anmutenden Flüssigkeit, die von den Amis als Bier bezeichnet wird, runtergespült.

Im Stadion war es aber schon gut. Wembley ist einfach eine geile Kiste! Ein tolles Stadion, das ist ganz weit vorne. Wir hatten zudem optimale Plätze dicht am Spielfeld, direkt hinter der 49ers Bank, von daher kam das schon mal ganz griffig an.

Irgendwann ging es dann auch los. Die amerikanische Nationalhymne wurde gespielt, Jeff Beck durfte god save the queen einmal so richtig scheusslich mit der E-Gitarre vergewaltigen und die Cheerleaderhühner der 49ers waren auch im Tanzmodus unterwegs. Eigentlich fehlte für ein perfektes NFL Footballerlebnisse nur noch die Düsenjägerstaffel, die im engen Tiefflug über das Stadion ballert. Nein, das ist kein Witz! Das machen die echt bei jedem Spiel in den Staaten. Aber bei dem Wunsch haben ihnen die Engländer vermutlich direkt einen Vogel gezeigt. 😉

Leider haben sich dann nach all dem Auftaktpipapo auch die Mannschaften beteiligt. Und das war… Nun… wie sage ich das möglichst freundlich? Not gegen Elend oder Pest gegen Cholera wären jedenfalls noch ziemlich beschönigende Beschreibungen der Leistung der 49ers und Broncos. Die erste Halbzeit war wirklich das mit Abstand übelste, was ich je in einem Footballstadion erlebt habe. Unglaublich schwache Teams! Wenn man mit 3:0 Führung für San Francisco in die Halbzeit geht, muss man auch nicht direkt ein NFL-Experte sein, um zu wissen: Da ist wohl nicht viel passiert…

Ich glaube selbst die Verantwortlichen der NFL standen geschockt daneben und haben innerlich schon mit dem Spiel für 2011 mangels Zuschauerinteresse abgeschlossen. Wie sagte der Kommentator im englischen Fernsehen in der Halbzeit dann auch so schön: “Jerry Rice ist im Stadion, Elway ist hier, Roger Craig. Die sollen sich gefälligst umziehen! Sie können mit weit über 40 auch nicht schlechter sein, als die da unten.”

Eine sympathische Aussage, wie lustig.

In der zweiten Hälfte haben sie sich dann aber etwas am Riemen gerissen und auch mal was riskiert. Und siehe da, plötzlich entwickelte sich sogar ein ganz munteres Spielchen. Ich habe also Mitte des 3. Viertels mit etwas Murren meine Beschäftigung der ersten Hälfte beendet und aufgehört Cheerleader einzeln zu fotografieren, sondern wieder etwas mehr das Spiel beobachtet.

Man will ja auch nicht den zweiten Sieg der 49ers in dieser Saison verpasst haben. Das wäre echt bitter gewesen. Es ging also schön hin und her, aber am Ende haben die 49ers das Spiel tatsächlich gewonnen! Sie haben zwar die letzten 4 Minuten noch mal alle möglichen Anstrengungen unternommen es doch noch aus der Hand zu geben, aber glücklicherweise war der Gegner nur Denver. Das hat also nicht geklappt, letztendlich dann für mich ein ganz versöhnliches Ende.

Football kann eine wirklich spannende, sehr intensive Geschichte sein. Das ist der einzige Sport in den Staaten, bei dem es laut ist und die Zuschauer im Stadion Gas geben. Um so bedauerlicher, dass die beiden Gurkentruppen jetzt in London nicht gerade Werbung für American Football gemacht haben.

Ich bin dennoch froh und happy dort gewesen zu sein, denn die Gelegenheiten so dicht vor der Haustür sind nun mal selten und man sollte ja seiner Mannschaft auch in den schweren Tagen zur Seite stehen! – Und so lange die Dallas Cowboys in der Liga noch schlechter geführt sind, ist sowieso alles ok. I hate the damn Cowboys!! 😉