We love St. Pauli, we do! Die FC St. Pauli Wochen!

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Lange habe ich ja nichts mehr über einen Stadionbesuch beim FC St. Pauli geschrieben. Was jetzt durchaus weniger an fehlenden Stadionbesuchen des Millerntors in den letzten Monaten lag, ganz im Gegenteil sogar, sondern im Wesentlichen an fehlenden Ereignissen. St. Pauli ist zwar absolut immer ein wenigstens guter Nachmittag oder Abend, aber ich muss schon sagen, dass die Hinrunde doch insgesamt recht erlebnisarm war. Die Mannschaft steckt mitten im Umbruch, man könnte auch sagen zu viele alte Spieler überm Zenit, zu wenig junge Kicker kurz vorm Zenit, ein Altinternationaler aus dem Ruhrgebiet, der sich auf dem Platz immer so bewegt, als wenn er vorher schon 3 Tage durchgehend im Stollen malocht hat, zwei Aussenverteidiger, die nur aussen hinbekommen, verteidigen leider nicht und ein Mittelfeld-Regiesseur, der… halt, stop, St. Pauli hat ja gar keinen Spielmacher. Dazu noch ein Trainer, der in seiner Laufbahn alles über Platz 14 als sensationellen, unerwarteten Erfolg bewertet hat – und alle die ihn kontinuierlich beobachten würden hier vermutlich sogar zustimmen. Das ganze nur noch ergänzt um ein Stadion in einer nicht weniger einschneidenden Umbauphase und schon haben wir die Rezeptur für eine ganz schwierige Saison beisammen.

In meiner Beziehung zu Pauli hat sich vor dieser Saison glücklicherweise aber auch etwas geändert: Ich bin jetzt endlich Besitzer einer Stehplatz Dauerkarte auf der Süd! Sie läuft zwar noch nicht so wirklich auf meinen Namen und eigentlich sind es sogar zwei, aber das ist eine insgesamt andere Geschichte.

Ich war also in der Hinrunde regelmäßig am Millerntor und durfte dabei die neue Gegengerade in der liebevollen Hoch-Tief Betreuung bewundern (war Hellmich Bau, spielt aber keine Rolle). Wenn plötzlich eine ganze Tribüne in so einem kleinen Stadion fehlt, dazu noch eine, die den FC St. Pauli in vielen Belangen ausgemacht hat, dann darf man sich natürlich auch nicht total wundern, wenn es Auswirkungen auf die Atmosphäre hat. Das war schon wirklich deprimierend auf so einen teilfertigen, halbgeöffneten Beton-Rohbau ohne Dach zu blicken.

Nun ja, mit Jahreswechsel und dem Beginn der Rückrunde hatte sich dann zumindestens in diesem Bereich eine klare Veränderung ergeben: Die neue Gegengerade war fertig, hatte ein Dach und konnte erstmals gegen Cottbus voll geöffnet werden.

Da ich gegen Cottbus nicht im Stadion sein konnte, aber dennoch sehr gespannt war, wie das so mit der neuen Tribüne ist, wie sich das anfühlt und welche Auswirkungen der Bau auf die Atmosphäre hat, bot es sich doch absolut an das beim nächsten Heimspiel einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Und weil man ja bei einem einzelnen Besuch schnell fehlgeleitet wird, habe ich diese genauere Beobachtung direkt in einen auf die nächsten 3 Heimspiele ausgeweiteten Belastungstest ausgeweitet! FC St. Pauli Wochen sozusagen. :)

Es begann mit einem Montagsspiel gegen Köln.

FC St. Pauli v 1. FC Köln 0:1

Montagsspiele am Millerntor sind jetzt zwar nicht mein absoluter Favorit, da es dann immer latent mehr um Sport1 und die Fernsehsender geht, als um den Fußball, aber ich liebe nun mal Kicken unter Flutlich und somit muss man dann über solche Kleinigkeiten hinwegsehen können.

Klirrend kalter Abend am Millerntor. So im Temperaturbereich des ernsthaften Leidenschaftstests eines Fußballfans. Freund Bernd und Freund Stefan waren glücklicherweise mit am Start, so dass wir wenigstens gemeinsam frieren konnten. Also rein, auf die Süd, um dort erstmal die neue Tribüne zu sondieren. Auf den ersten Blick wirklich eine schöne Tribüne! Ich war positiv überrascht, da ich von aussen im Dunkeln irgendwie eher Skepsis hatte. Der sehr große Stehplatzbereich (10000 Steher) im Verhältnis zur gesamten Stadiongröße dominiert das Bild, was ich ganz toll finde! Zum einen war das bei der alten Gegengeraden auch so, zum anderen hab ich Pauli nicht geglaubt, dass sie das wirklich so machen werden und zum dritten gibt es eben nur noch wenige Stadien in Europa, die so viele Stehplätze an der Längsseite des Feldes haben. Die erste wesentliche Erkenntnis lies dann auch nicht lange auf sich warten: Viele Fans sind vom Stehbereich der Süd offensichtlich auf die Gegengerade gewechselt, denn obwohl wir erst kurz vor Beginn im Stadion waren, gab es keine Probleme noch ein paar gute Stehplätze auf der Süd zu bekommen. Das hätte früher so nicht geklappt.

Negativ ist mir leider auch direkt aufgefallen, wie deutlich sich der Abstand zwischen Zaun und Spielfeld erhöht hat. Es mag zwar subjektiv sein und wird falls richtig beobachtet sicher auch belegbare Gründe haben, aber da ich ja sowieso schon der Meinung bin, dass wir in Deutschland im Vergleich mit England zu weit vom Feld wegsitzen, hat mich das etwas geärgert. – Und wieso brauchen wir da überhaupt einen Zaun? Na ja, wie auch immer 2 Meter dichter dran wäre aus meiner Sicht jedenfalls wünschenswert gewesen.

Das Spiel fing dann an und es wurde relativ zügig deutlich: Die Mannschaft wurde in der Winterpause nicht ansatzweise im gleichen Maß fertiggestellt wie die Tribüne. Die Mannschaft wollte zwar, aber ihre Möglichkeiten musste man schon als erschreckend bewerten. Köln machte dazu leider auch noch in der 3. Minute das 0:1 mit einem Freistoß, bei dem Tschauner aussah wie eine handgekurbelte Bahnschranke. Der Freistoß war alles andere als überragend geschossen, aber für Sportskamerad Tschauner war das leider schon ausreichend gut genug. Ganz schlechter Start und als dann Thorand kurz vor der Pause auch noch mit gelb – rot vom Platz musste, haben wir schon langsam damit begonnen uns aufs Biertrinken zu konzentrieren.

Die Mannschaft vom FC St. Pauli hat sich dann zwar in der zweiten Hälfte weiter bemüht, war aber letztendlich chancen- und mittellos. Am Ende waren sie mit 0:1 als Endergebnis wirklich gut bedient, denn der blinde Österreicher Mittelstürmer vom FC Köln hatte offensichtlich zum Ziel direkt nach der Partie in den Flieger zurück in die Heimat gesetzt zu werden. So viele hochkarätige Chancen wie der verballert hat, hätte Stani ihn eigentlich nach Spielfluss sofort als Spott-Figur auf so einem Karnevalsumzugswagen anmelden müssen. Unglaublich.

Tja, das war also ein eher ernüchternder Abend, aber die neue Tribüne hat mich beeindruckt und Lust auf mehr gemacht!

Nur 4 Tage später sollte es schon weitergehen. Freitag Abend gegen den FSV Frankfurt.

FC St. Pauli v 1. FSV Frankfurt 3:0

Es gibt wenige Dinge, die ich so gerne mag wie ein Freitag Abendspiel mit Freunden am Millerntor. Das ist einfach absolut immer ein riesiger Spaß. Anpfiff 18:00 Uhr, man muss also entsprechend früh aus der Firma und startet direkt vom Job mit Fußball und einem kühlen Bier in den Feierabend durch. Ich bin mir sicher, blättert man im Duden nach dem Wort Lebensqualität ist genau das die Übersetzung. :)

Zwei Freunde (Gerald und Markus) geschnappt, vor dem Stadion noch schnell meinen Nordsteher in einen Südsteher getauscht und und schon konnte es losgehen. Leider kam ausser dem FSV Frankfurt noch eine weitere Gastmannschaft an diesem Abend ans Millerntor, mit der eigentlich nicht mehr zu rechnen war: Das Team Winter. Ganz nervig natürlich, weil ich diese Kälte so langsam satt habe, aber irgendwie auch nicht zu ändern.

Die Stimmung in der Hütte war von Beginn absolut gut. Schon beim Einlauf der Teams und dann auch bei der folgenden Choreo. Ich hatte jedenfalls direkt das Gefühl: Heute geht was. Obwohl Frankfurt eine Mannschaft aus dem oberen Tabellendrittel ist und eigentlich Favorit war, müssen sie etwas ähnliches auch gespürt haben. St. Pauli ging jedenfalls von Anpfiff an voll drauf und zeigte endlich mal dieser Laufbereitschaft und Entschlossenheit vor eigenem Publikum, die ich in der Vergangenheit doch einige Male vermisst hatte. Die neue Tribüne war sehr wuchtig, sehr laut und ich habe bei diesem Besuch gleich mal zusammen mit den Ultras der Süd ein neues Feature entdeckt: Es gibt jetzt neuerdings noch eine Tribüne auf der Gesang druckvoll angestimmt wird oder ihn auch mal vorgibt. Das war für die Kollegen aus der Ultrafraktion auch eine ganz neue Erfahrung. Da wären sie vor Schreck fast von ihrem Zaun gefallen. 😉 Ich fands jedenfalls toll und für die Stimmung am Millerntor ist dieses neue Gleichgewicht aus meiner ein Segen. Weniger Dauersingsang, mehr spielbezogener Support, sehr schön! :)

Die Mannschaft machte dann aus ihrer drückenden Überlegenheit endlich auch mal wieder Tore. Sie haben ihren Einsatz und Kampf da belohnt und sind völlig verdient zunächst in Führung gegangen, um diese dann kurz nach der Pause auf 2:0 auszubauen. Das 3:0 rundete das Ergebnis gegen chancenlose Frankfurter noch sauber ab und dann stand der Party nichts mehr im Weg. Vor allem Daniel Grinczek, der von Dortmund ausgeliehene Mittelstürmer von Pauli hat ein riesiges Match gespielt und alle 3 Tore erzielt. Endlich mal wieder ein Stürmer, der diesen Namen auch verdient!

Wir sind nach Abpfiff jedenfalls tiefenentspannt und happy ins warme Vereinsheim gewechselt, wo bei einer Knolle noch mal die fachliche Detailanalyse durchgeführt wurde. Und wie gesagt: Es geht nichts über Spiele am Freitag Abend!

Als wenn ich es bestellt hätte, war dann auch das nächste Heimspiel vom FC St. Pauli tatsächlich schon wieder ein Freitag Abend Spiel…

FC St. Pauli v Jahn Regensburg

Am Wochenende vor der Partie war ich tagsüber mit Heike in der Schanze unterwegs. Genauer gesagt im Karoviertel, also direkt hinterm Bunker. Mir kam da spontan die Idee einer mal komplett anderen Perspektive auf die neue Tribüne, also hab ich sie bequatscht, dass wir übers leere Heiligengeistfeld einmal aufs Stadion zugehen. Sie hat in diesen Momenten immer so einen Blick mit einer Mischung aus Mitleid und Ärger. Es ist mir nach wie vor schleierhaft, warum das Argument mit der neuen Perspektive nicht gezogen hat. Nun ja, wir sind also im eisigen Wind übers Heiligengeistfeld gestapft und ich muss sagen, dass sich die neue Gegengerade auch bei Tageslicht gut macht. Einfach viel Backstein und nicht nur so ein reiner Betonklotz. Sie hat natürlich nicht den morbiden Charme der alten Tribüne, aber ich finde sie ist unter den gegebenen Umständen gut gelungen.

Als wir dann am Ticketschalter vorbei gekommen sind, kam mir die spontane Idee nach Tickets für die Süd zu fragen. Zur Einordnung: Es war in den letzten Jahren nahezu komplett unmöglich im Freiverkauf Südsteher zu bekommen. Entweder früh morgendliches Schlangestehen war angesagt – oder die ganz extremen Nummern. Ich hab die Idee somit selbst für Unsinn erachtet, aber wenn man schon mal da ist… Ich frage den Typen also ob er noch Südsteher hat und anstatt mich wie erwartet auszulachen, antwortet der doch glatt: “Wie viele?” Sensationell! Die neue Tribüne hat offensichtlich auch einen richtig guten Einfluss auf die Ticketsituation bei St. Pauli. Es scheint zukünftig einfacher zu werden auch kurzfristig an Tickets zu kommen, was ja auch einen positiven Einfluss aufs eigene soziale Umfeld nimmt. Jeder der Kumpels hat, die beim Ausdruck feste Zusage eher direkt an ein Standesamt denken, als an Verbindlichkeit wird wissen wie ich das meine. 😉

Ich habe dementsprechend gleich mal 4 zusätzliche Tickets gekauft und bin am folgenden Freitag mit 4 Kollegen und Bernd ins Stadion gegangen.

Die Atmosphäre am Millerntor war auch in dieser Woche wieder von Beginn an toll! Der kleine Lauf der Mannschaft mit 2 Siegen in Folge hat vermutlich auch die Tribünen belebt. Jahn Regensburg kam als Tabellenletzter in den Stadtteil und war somit Aussenseiter. – Leider kann St. Pauli vieles, aber nicht mit einer Favoritenrolle umgehen. Die Mannschaft ging zwar von Beginn an engagiert zu Werke, tat sich im Großen und Ganzen aber wahnsinnig schwer gegen die Gäste. Dennoch gingen sie in Führung und alle auf den Rängen hatten wahrscheinlich schon ein 3:0 wie gegen Frankfurt vor Augen. Als Regensburg aber nur wenige Minuten später ausglich, war mir aus der Erfahrung klar, dass es eher ein längerer Abend werden dürfte.

Als Pauli dann Mitte der zweiten Hälfte nach einigen sehr müden Minuten endlich das erlösende 2:1 machte, schien die Partie auch entschieden zu sein. Nun wäre es aber nicht der FC St. Pauli, wenn sie nicht wirklich immer und jederzeit in der Lage wären, wie ein Elefant im Porzellanladen alles was sie sich mühevoll vorne aufbauen mit dem Arsch wieder einzureissen! Gegen Regensburg passierte das in der Form von Grinzceks roter Karte. Ich bin ein Freund von gesunder Härte und ich finde es kann auf dem Platz auch ruhig mal knallen, aber bei 2:1 muss man 3 Minuten vor Schluss an der Mittellinie definitiv keinen so hart umballern, dass man direkt völlig verdient mit rot vom Platz fliegt! Dafür müsste er eigentlich auf dem Weg in die Kabine noch direkt eine Geldstrafe bekommen. Einfach eine ganz, ganz dämliche Aktion. Kaum war er unten, stieg bei Pauli der muntere Freischwimmerkurs ins Wasser. Das große Zittern begann. Logischerweise passierte dann auch tatsächlich noch der Worst Case: Jahn Regensburg machte in der 90. den Ausgleich zum 2:2. Also da war es aber kurzzeitig mal richtig still im Stadion. Regensburg hat keine Fans und die eigenen waren im Schockzustand.

Punkteteilung also? Nur 2:2 Zuhause gegen den Tabellenletzten? Nein! Nur eine Minute später in der Nachspielzeit machte die alte Tante Bruns nach einer Flanke noch den Ausgleich! Unglaublich und gerade Bruns! Guter Kicker zwar, aber leider inzwischen einfach in allen Belangen zu langsam. Der macht mich immer total wahnsinnig, wenn ich ihn in der Startformation entdecke. Ich weiß auch nicht, wie Bruns rechtzeitig soweit nach vorne kommen konnte, aber er versetzte jedenfalls mit dem Tor das ganze Stadion in einen Freudentaumel. Total genialer Moment, weil das Millerntor da echt explodiert ist. Die Biere flogen durch die Luft und alle lagen sich in den Armen. Das war ein bisschen so wie vor ein paar Wochen an der White Hart Lane, die Magie des Fußballs. :)

Abschließend kann ich nach den durchaus auch anstrengenden Pauliwochen erfolgreich berichten, dass der FC St. Pauli inzwischen wieder einigermaßen gesichert im Mittelfeld steht, die neue Gegengerade eine Bereicherung für die Atmosphäre am Millerntor ist und ich körperlich nicht mehr in der Lage bin, alle 2 Wochen ein Freitagabendspiel mit anschließendem Rundgang durchs Viertel zu überstehen. – Aber jedes zweite Heimspiel am Freitag, das wäre schon genial! :)

2 Responses to “We love St. Pauli, we do! Die FC St. Pauli Wochen!”

  1. Stefan Says:

    ich komm dann auch mal wieder mit 😉

  2. Kay Says:

    Also wenn Du schon praktisch “unter” mir stehst, dann müssen wir mal ein Bier verhaften. Block S3…
    In den meisten Punkten stimme ich überein. Beim Köln Spiel musst Du nur zugeben – das war das wieder erweckte Millerntor…dank diesem untragbaren Schiri wurde die GG geweckt. Genial!
    PS: Wir sind nicht gesichert – Stand heut :)

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