Der Kiez brodelt! St Pauli – Hansa Rostock

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Freitags gehe ich ja, wie bei anderer Gelegenheit schon erzählt, ganz gerne mal ab und an mit Stefan zu St Pauli. Fußball in lockerer, geselliger Atmosphäre ist dabei immer das Ziel. Am Freitag hieß der Gegner nun aber Hansa Rostock und wer die jüngere Vergangenheit der beiden Clubs und dabei vor allem das Hinspiel in Rostock vor Augen hat, der wird wissen: Diese Partie bedeutet automatisch Ärger! Hansa Rostock hat leider größere Probleme mit rechtsradikalen Elementen in der eigenen Zuschauerszene (ich nenn diese Leute bewusst nicht Fans) und da St Pauli von jeher ein Club ist, der eher ein alternatives Publikum hat, bestand auch nicht viel Hoffnung, dass es alles gar nicht so extrem werden würde.

Ich war im Vorfeld sehr skeptisch, ob ich zum Spiel gehen sollte. Zum einen aus zeitlichen Gründen, zum anderen aber auch weil ich keine Lust auf Ärger hatte und ich mich auch nicht plötzlich mitten in so einem Krawallmob wiederfinden wollte. Na ja, ich hatte es letztendlich also abgesagt. – Zu lesen war im Vorfeld auch, dass es im Stadion kein Bier geben würde. Dann ist es schwierig bei St Pauli. 😉

Irgendwann im Laufe des Freitags (es hat mich natürlich gekitzelt, logisch…) setzte dann aber so ein Nachdenkprozess ein. Am Ende hab ich spontan entschieden doch zum Spiel zu gehen. Warum? Einfacher Grund: Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass man sich von Extremisten nicht seinen Tag und seine Aktivitäten diktieren bzw. sich von diesem Pack einschränken lassen darf! Ich glaube wenn man aus Angst vor Randalen o.ä. nicht mehr zu so einem Spiel geht, haben diese Leute ihr Ziel erreicht und ich finde diesen Triumph darf man ihnen nicht gewähren.

Stefan hatte glücklicherweise auch noch ein Ticket, also haben wir uns wie immer am Wappen getroffen. Auf dem Weg dorthin ist einem durch die große Polizeipräsenz dann noch mal die besondere Situation rund um das Spiel verdeutlicht worden. Am Bahnhof gab es wohl auch schon den ersten richtigen Stress als der Sonderzug aus Rostock eingetroffen ist und am Eingang zum Gästeblock setzten sich die Randale dann fort. Das habe ich mir allerdings gespart mit eigenen Augen zu beobachten. An dieser Stelle muss ich mal sehr kritisch anmerken: Warum richtet man ein Spiel dieser allerhöchsten Risikokategorie auf einen Freitag abend aus? Da steht schon lange vorher in großen Lettern Ärger & Randale auf der Partie und da versteh ich den DFB wirklich nicht. Das ist eine gewisse Naivität, die im Endeffekt die Polizisten, Ordner und normalen, friedlichen Fans ausbaden dürfen und dafür fehlt mir jedes Verständnis. Die Polizei hat interessanterweise gestern ein ähnliches Statement abgegeben.

Lustigerweise gab es dann direkt vor dem Stadion halt doch Bier, nur in der Hütte war es alkoholfrei. Der Sinn dieser Maßnahme erschliesst sich mir unter diesen Voraussetzungen echt überhaupt nicht mehr, obwohl ich es natürlich persönlich gut fand. Nun ja…

Im Stadion war dann zunächst von den Randalen auf der Straße nicht viel zu spüren. Die Rostocker hielten beim Einlaufen der Teams zwar  ca. 1000 Schals mit der Aufschrift “Scheiss St Pauli” hoch, aber ausser Provokationen blieb es ruhig. Die Stimmung auf der Südtribüne und im Stadion am Millerntor war von Beginn an wirklich sehr, sehr gut. Natürlich auch aufgeheizt und angespannt, aber auch laut und die Mannschaft extrem unterstützend. – Leider hatte die Truppe von Coach Stanislawski einen wirklich schlechten Start! Ganz grausam, da war nichts, aber wirklich nichts an Einsatz, Laufbereitschaft und Wille zu spüren. Von Passspiel oder Offensivaktionen mal ganz zu schweigen! Wenn man bedenkt, welch überaus hohen Stellenwert die Partie für die Fans vom Fc St Pauli hatte, war diese lustlose Passivität doch etwas überraschend. Hansa Rostock ging folgerichtig nach haarsträubenden Fehlern der Paulidefensive bereits nach 5 Minuten 2:0 in Führung und wenn es zur Halbzeit 4 oder 5:0 für die Mecklenburger steht, hätte sich bei Pauli echt niemand beschweren dürfen.

In der Halbzeit wurden wir kurz daran erinnert, dass Teile der Gäste nur angereist sind, um Krawall zu machen. Einige Rostocker waren der Ansicht es wäre doch mal eine tolle Idee den ganzen Block in Brand zu stecken! Das haben sie dann auch gemacht. Es brannte lichterloh, sie schossen Raketen und Feuerwerkskörper ab und das ganze Stadion wurde in einen dichten Nebel gehüllt. Was für Idioten!

Das Spiel ging daher verspätet in die zweite Hälfte, aber dafür war dann auch eine ganz andere Pauli-Elf auf dem Platz. Stanislawski hatte direkt 3x gewechselt – interessanterweise hat er 3 Leute (Trojan, Schultz, Ludwig) mit immer wieder geäußerten Erstligaambitionen rausgenommen – und mit der Einwechslung von Hennings und vor allem Brunnemann war plötzlich richtig Zug drin. Ende der Deeskalationsstrategie der ersten Hälfte, jetzt gingen die Spieler auch in die Zweikämpfe und setzten Hansa Rostock massiv unter Druck. Welche Wunder, plötzlich gab es dann auch Chancen. Die Aufholjagd begann und nach dem Anschlusstor durch den Foulelfer von Sako, glich Hoilett in der 72. verdienterweise für St Pauli aus. Das Millerntor stand da eigentlich schon Kopf und als Hoilett dann 5 Minuten vor Schluss auch noch der Siegtreffer gelang glich das Stadion einem Tollhaus. St Pauli hatte das Spiel noch gedreht, die Fans lagen sich in den Armen und die Provokationen in Richtung der Rostocker Fans in Form von “nie mehr zweite Liga”-Gesängen begannen. 😉

Ein wirklich emotionales Spiel am Millerntor! Die Spieler sind nach Abpfiff dann eine sehr ausführliche Ehrenrunde gegangen und vor unserer Tribüne haben sie sich dann als Mannschaft vor den Fans verbeugt. Das fand ich eine echt schöne Geste, weil die Spieler offensichtlich erkannt haben, wie schlecht die erste Hälfte war und wie dankbar sie für den dennoch durchgehend vorhandenen Support durch die eigenen Fans sein müssen. Randbemerkung: Trojan und Ludwig sind der Ehrenrunde fern geblieben, warum auch immer…

Im Stadtteil ging es nach dem Spiel allerdings leider rund. Gewaltbereite Hamburger Randalierer und Autonome nutzten die sich bietende Gelegenheit und so kam es rund um das Stadion, speziell am Ausgang des Gästeblocks wohl doch zu sehr heftigen Kämpfen zwischen dem linken und rechten Mob, sowie der Polizei. Ich habe verschiedene gewaltbereite Leute mit den entsprechenden Utensilien auf dem Weg vom Stadion zum Auto gesehen und man konnte halt die Geräuschmischung aus Polizeisirenen, Raketen und Knallkörpern auch ganz gut hören…Da ich aber in weiser Voraussicht nicht mit der Bahn gefahren bin und mein Auto in der anderen Richtung abgestellt war, sind wir in entgegengesetzte Richtungen gegangen. 😉

Insgesamt ist das ganze eine Schande für den Sport und die Geschehnisse ausserhalb des Stadions waren leider aus meiner Sicht auch kein Aushängeschild für St Pauli bzw. für die positiven Dinge, die man St Paulis Fanszene berechtigterweise zuspricht. Hansa Rostock hat ein gewaltiges Problem mit gewaltbereiten Anhängern aus dem rechten Lager, das ist bekannt, das ist nicht neu und man kann den Verantwortlichen dort nur raten, alles dafür zu tun dieses Problem in den Griff zu bekommen! Szenen wie beim Hinspiel in Rostock sind ein Armutszeugnis für einen Profiklub. Das geht echt gar nicht und sowas würde es im Millerntorstadion niemals geben. – Dennoch ist es auch für Pauli wichtig (finde ich jedenfalls…) nicht nur rechte Gewalt und Gruppierungen zu bekämpfen, sondern sich auch von linker Gewalt zu distanzieren, denn am Freitag war der Wille zur Gewalt keine einseitige Veranstaltung von Rostocker Seite.

So, das war aber nur der erste Teil eines aufregenden Wochenendes! Am Samstag war ich bei AC/DC in Düsseldorf und zum Auftakt gab es noch Gladbach – HSV. Das war ein großartiger Tag, watch out! 😉

One Response to “Der Kiez brodelt! St Pauli – Hansa Rostock”

  1. Thunderstruck! AC/DC live und Borussia Mönchengladbach - HSV | Livesportfan Blog Says:

    […] für ein Weltklassetag war das denn??? Nachdem ich Freitag mit Stefan spontan noch beim Donnerwetter auf dem Kiez St Pauli – Hansa Rostock gewesen bin, war am Samstag endlich der große Tag gekommen: AC/DC  live in concert! Vorgruppe: […]

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