Welcome to the hell of St. Pauli! FC St. Pauli – Hamburger SV 1:1

Fußball, HSV, St Pauli Add comments

Anzeigentafel Millerntor FC St. Pauli - HSV

Ok, ok… der HSV hat am Ende auch noch ein Tor geschossen, aber eigentlich war das Spiel am gefühlten Optimum angelangt, als die Anzeigetafel den auf dem Bild gezeigten Spielstand vermelden konnte. :)

Aber am besten mal der Reihe nach.

Stadtderbys sind im Fußball aus meiner Sicht ganz klar das Salz in der Suppe. Im Normalfall emotional geführt, großartige Atmosphäre auf den Rängen und die ganze Stadt fiebert schon Wochen vorher auf den Derbytag hin.

So war es auch in Hamburg in Vorbereitung auf das Spiel zwischen dem FC St. Pauli und dem Hamburger SV. Die ganze Stadt hat in der Woche vorher über wenig anderes gesprochen und auch Leute, die nicht so viel mit dem Fußball am Hut haben, sind davon ein bisschen in den Bann gezogen worden.

Sowas schafft halt nur der Fußball! :)

In Hamburg gibt es dazu natürlich noch ein paar Derby-Besonderheiten. Das Derby zwischen St. Pauli und dem HSV fand in den letzten Jahren halt sehr selten statt, da sich St. Pauli ja zwischenzeitlich noch eine ausführliche Meinung über die niedrigeren Spielklassen bilden wollte, bevor man sich endgültig für eine Wunschliga entschieden hat. Genau genommen ist das letzte Derby 8 Jahre her. Eine weitere, noch viel wesentlichere Besonderheit: Das Derby fand seit vielen Jahren erstmalig wieder im Stadion vom FC St. Pauli am Millerntor statt!

Alle Fans des FC St. Pauli haben nach dem Aufstieg wohl auf kein anderes Spiel dermaßen hingefiebert, wie auf das Derby gegen den HSV im eigenen Stadion. – und mir ging das nicht anders! Vor der Saison war es das Spiel was ich unbedingt und unter allen Umständen live sehen wollte. Meine absolute Priorität vor Saisonbeginn. Ich hatte ja hier schon beschrieben unter welchen großen Anstrengungen ich mir dann letztendlich auch ein Ticket für die Partie St. Pauli – HSV sichern konnte.

Das hatte also geklappt und das Derby konnte somit kommen!

Der ein oder andere regelmäßige Leser dieses Blogs wird bemerkt haben, dass ich schon das eine oder andere Derby live erleben durfte. Ich bin da bisher noch nie enttäuscht worden und ganz klar war ich deshalb auch am Sonntag extrem aufgeregt und voller Vorfreude!

Ich hab mich ziemlich früh auf den Weg ins Stadion gemacht und durfte, kaum aus der Ubahn rausgetreten, gleich mal das sehr große Polizeiaufgebot bewundern. Im Vorfeld der Partie war die Sorge hinsichtlich der Sicherheit teilweise recht groß, daher hat es mich nicht groß überrascht. Es ist halt ein echtes Risikospiel gewesen und man hatte auf offizieller Seite sicher noch Partien gegen Hansa Rostock im Hinterkopf. Das Spiel wurde dementsprechend auch am Sonntag Nachmittag angesetzt, was für ein Derby in vielen Ländern Europas normal ist. Das Old Firm in Glasgow ist z.B. immer Sonntags um 13:00 Uhr, damit die Gewalt einigermaßen unter Kontrolle gehalten werden kann.

Einerseits nachvollziehbar, andererseits ist es beschämend, dass sowas alles für ein Fußballspiel notwendig ist. Für mich sind diese ganzen Krawallidioten absolut keine Fußballfans und leider rücken sie dadurch die große Masse der friedlichen Fans in ein ziemlich schlechtes Licht. Da darf sich auch jede Ultragruppierung gerne mal selbst hinterfragen, was allerdings ein minimales Hirn voraussetzen würde.  Man sollte hier dann wahrscheinlich keine zu allzu große Erwartungshaltung haben…

Ich habe von Krawallen vor dem Spiel selbst glücklicherweise nicht viel mitbekommen. Bin direkt zum Jolly Roger gegangen, um entspannt ein Bier zu trinken und hatte auch überhaupt kein Interesse in sowas reinzugeraten. Es gab aber natürlich trotzdem einigen Ärger beim Versuch einige der sogenannten HSV Fans kontrolliert in den Gästeblock zu geleiten. Da ich nicht im Gästeblock war und kein Fan von Hörensagen bin, kann ich es selbst nicht beschreiben, ich verweise aber gerne mal auf den wirklich tollen Blog von Sebastian und dem sehr guten Augenzeugenbericht zu diesem Thema.

Ich frage mich ernsthaft was erst alles passieren muss, bevor da mal eine Form von Nachdenken einsetzt.

Stefan und ich sind dann sehr zeitig ins Stadion gegangen, da wir einfach überhaupt gar nichts verpassen und einen sehr guten Stehplatz sichern wollten. Ausserdem waren wir halt auch beide aufgeregt. Er wohl noch etwas mehr als ich. So früh war ich jedenfalls echt noch nie in diesem Stadion. :) – Vor allem auch vor dem Hintergrund, dass es nur alkoholfreies Bier gab ein ziemlich bemerkenswerter Umstand.

Die Atmosphäre in der Hütte hatte von Beginn an das Gänsehautniveau der Mondlandung! Unglaublich intensive Stimmung, die sich das erste Mal beim Einlauf der Mannschaften zu Hells Bells entlud. Ich bin wohl noch nie so in Konfetti gebadet worden, wie am Sonntag auf der Südtribüne. Komplett der Hammer! Das Zeug ist mir noch Tage später aus der Jacke gefallen. Klasse Choreo, großartiger Auftakt! Ich habe da mal ein Video…

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Die HSV Fans haben dann auch eine Choreo gemacht, noch ein paar blaue Rauchbomben gezündet und von Anfang an sehr guten Support gegeben. Das ganze Stadion war also von allen Seiten richtig laut, es konnte losgehen.

Leider hat sich diese intensive Hitze auf den Ränden nicht so richtig auf die Spieler vom FC St. Pauli übertragen. Das war von Beginn an sehr vorsichtig und für mein Bedürfnis auch deutlich zu wenig aggressiv. Ich glaube wenn man eine volle Hütte hat, die so dermaßen vibriert, dann muss man von Beginn an als Spieler diese Energie aufnehmen und auch mal hart zu Werke gehen. Da darf es ruhig auch mal knallen. – Ich bin da wohl etwas altmodisch gestrickt. 😉

Der HSV hat individuell natürlich die bessere Mannschaft und hat das auch gezeigt. Das war zwar nicht sonderlich gefährlich, aber sie haben Ball und Gegner in der ersten Hälfte schon gut kontrolliert. Der eine oder andere Spieler vom FC St. Pauli stellt gerade live und in Farbe fest, dass a) Innenverteidiger in der ersten Liga durchweg schnell sind und b) man teilweise Gegenspieler hat, die einen auch tatsächlich ausspielen können. Eine neue Erfahrung. Ich muss schon sagen, ein paar der Leistungsträger der letzten Saison sind da an ihrem persönlichen Limit angelangt. Besonders deutlich ist das bei Marius Ebbers und bei Lehmann. Beide sehr, sehr wichtige Pfeiler im Konzpt von St. Pauli. Aus dem Mittelfeld fehlen die Akzente nach vorne und Ebbers fehlen diese entscheidenden 2 Meter Vorsprung, die ein Mittelstürmer braucht, um in Liga 1 Chancen zu bekommen.

In der zweiten Hälfte ging es erst noch so weiter, keine hochklassige Partie von beiden Seiten. Hochklassig war dafür aber durchweg alles was auf den Rängen lief. :) Der HSV muss sich die Kritik gefallen lassen, viel zu wenig aus der individuellen Überlegenheit gemacht zu haben. Die ganze Sache änderte sich eigentlich erst mit der Einwechslung von Asamoah. Der brachte dann nämlich direkt das Element ins Spiel, was wir alle bis zu dem Zeitpunkt vermisst hatten: Aggressivität, Emotion. Er kam rein, hat sich direkt das menschgewordene rote Tuch des HSV David Jarolim vorgenommen und ihn einfach mal mit der Nase schön ins Gras geschickt. Bisschen Tumult, aber darauf hatten die Zuschauer gewartet und die Mannschaft hat es offensichtlich gebraucht. Denn plötzlich war der FC St. Pauli da! Sie haben Druck gemacht, nach vorne gespielt und Chancen bekommen.

Als Boll dann in der 77. Minute das 1:0 macht, kannte das Stadion kein Halten mehr! Keine Ahnung, ob es jemals dort so laut war, aber ich habe es jedenfalls so noch nie erlebt! Eine totale Explosion auf den Rängen und wir sind alle die eine oder andere Reihe nach vorne geflogen. Ein wahnsinniger Moment und alleine das Eintrittsgeld wert!

Plötzlich bekommt man das Gefühl, möglicherweise bei einem historischen Moment live vor Ort zu sein. – Irgendwie haben aber auch die Spieler wohl solche Gedanken bekommen und wirkten kurz vor Schluss doch etwas gelähmt. Der HSV hat natürlich nach dem Tor riesigen Druck gemacht. Die wollten mit aller Macht noch den Ausgleich machen. Kurz vor Schluss bekam Petric nach einer verunglückten Abwehr dann leider auch eine Schusschance. Er traf den Ball optimal der sprichwörtliche Sonntagsschuss bedeutete doch noch den Ausgleich.

Zweifellos insgesamt nicht unverdient und vor dem Spiel hätten die meisten Fans wohl gesagt: Unentschieden nehmen wir unbesehen. Nach dem Spiel spürte man dann aber doch eher Enttäuschung unter den Paulifans, weil es eben diese unglaublich große Chance war, einen historischen Sieg zu landen. Man weiß halt nicht, wie oft sich solche Gelegenheiten wiederholen.

Es war jedenfalls ein unglaublich geiler Nachmittag am Millerntor, ein ganz besonderes Spiel! Es war jede Anstrengung wert und ich bin extrem glücklich, dass ich da live dabei sein konnte.

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