Olympic Diaries London 2012 Episode 3: En garde! Fechten im ExCeL

London 2012, Olympische Spiele, Randsportarten Add comments

Fechten??? Ok, das muss ich jetzt vermutlich doch mal kurz erklären. :) Da ich mich ja wie beschrieben ganz lange nicht ernsthaft um Tickets für die Olympischen Spiele in London bemüht habe, entstehen leicht mal so Konstellationen, die ich so eigentlich auch in letzter Konsequenz irgendwie nicht gewollt habe… Unser Besuch beim Fechten ist hierfür jetzt so ein ganz typisches Beispiel. Wenn man halt keine Highlight-Tickets bekommt, greift man schnell auch mal in die andere Ticket Schublade.

In diesem Fall war die Geschichte sogar noch ein bisschen wirrer, selbst für meine manchmal schon zugegebenermaßen recht wirren Ticketgeschichten. Stellt euch den Ablauf mal bitte so vor: Es klingelt, der DHL Knecht steht vor der Tür (und hat sich zur Abwechslung glatt mal die Mühe gemacht die Sendung auch beim Empfänger abzugeben und nicht irgendwo im Erdgeschoss unmotiviert abzuwerfen…),  reicht mir einen DHL Umschlag und verschwindet wieder. Nun ist es nicht gerade ungewöhnlich, dass DHL mit einem Ticketumschlag vor der Tür steht, aber in dem Moment muss ich doch eher wie ein Reh im Volllicht geguckt haben. Ich hatte nämlich absolut keine Idee, was in diesem Umschlag ist!

Ich mache also die Versandtasche auf und mir springt so ein DERTour Package entgegen in dem sich 2 Tickets fürs Fechten befinden! Fechten???? Hä???? Wo kommen die denn her? In dem Moment erinnerte ich mich mehr oder weniger düster, dass ich vor über 12 Monaten mal bei dem genannten Reiseveranstalter, der gleichzeitig auch noch offizieller Reseller für Deutschland ist, in einem Anfall von Neugier und Spontanität 2 Karten für ein Fechtevent bei den Olympics gekauft hatte. Das hatte ich inzwischen aber erfolgreich verdrängt und es offensichtlich auch nicht groß abgespeichert. Es entstand bei mir gleich so eine spontane Neugier, wann und wo die Fechterei stattfinden würde und vor allem um welche Teildisziplin es sich überhaupt handelt? Teamfinale der Männer im Flortettfechten stand auf dem Plan.

Nun ja und so kommt es, dass man sich plötzlich am frühen Sonntag Morgen in so einer Fechthalle wieder findet. 😉 Der fröhliche Florettfechter Florian (ich könnte auch für Bauer sucht Frau texten) sollte um 9:00 Uhr loslegen, aber das haben wir natürlich überhaupt nicht geschafft. Zum einen weil wir nicht gerade unter seniler Bettflucht leiden und zum anderen weil diese ExCeL Arena (nicht zu verwechseln mit der Tabellensoftware mit der uns Microsoft seit vielen Jahren quält, es steht für Exhibition Center London) eben auch nicht auf dem Olympiagelände ist, sondern am Thames Ufer, mitten in den Docklands. Die Anreise unterlag also dementsprechend schon einem gewissen Zeitbedarf. – Von uns natürlich völlig falsch eingeschätzt, versteht sich. 😉

Bei meinen Olympiaplanungen war es mir von Anfang an wichtig, möglichst viele verschiedene Venues zu sehen. Ich hatte mir davon versprochen ganz unterschiedliche Olympiaeindrücke zu bekommen und das – so viel kann ich an dieser Stelle schon sagen – hat sich auch echt als eine gute Idee erwiesen. Insgesamt war ich also vor diesem Hintergrund im Nachhinein gar nicht mehr so unglücklich mit meinen Jack Sparrow Schwertkampf-Tickets. – Das war allerdings bevor wir uns auf den Weg zum ExCeL begeben haben.

Habt ihr Asterix – die Odysee gelesen? Ja? Dann habt ihr jetzt ein gutes Gefühl, wie es uns an diesem Sonntag morgen in London ging! Bis Stratford ging es mit diesem neuen Hochgeschwindigkeitszug noch ganz gut, aber dann wurde es interessant. Auf dem Weg zum ExCeL kommt man nicht drum herum die sogenannte DLR zu besteigen. Docklands Light Railway, nichts anderes als ne schnöde Tram, aber Tram klang den Engländern offensichtlich zu mickrig. Natürlich fährt die auch nicht direkt. – dachten wir. Bis uns so ein sehr bemühter Volunteer eine Empfehlung für den schnellsten Weg zum ExCeL gab. Merke hier: Frage niemals never nie jemanden nach dem Weg, ausser dem Internet und einen Stadtplan! Er hat uns jedenfalls aus der ursprünglichen Idee umzusteigen rausgequatscht und alternativ den direkten Weg zu einer anderen Station empfohlen, die nur “10-15 minutes by foot” vom ExCeL entfernt sein sollte. Umsteigen wäre keine gute Idee, da “at the very busy station of Canning Town” im Prinzip das totale Chaos sein würde. Sind wir also in so einem frühmorgentlichen Delirium seiner Empfehlung gefolgt. – Ich denke ich muss nicht extra erwähnen, dass “the very busy station of Canning Town” (bitte stellt euch das alles mit so einem lustigen, indischen Akzent vor!) nichts anderes als ein komplett verlassener, einzelner Bahnsteig im östlichen Niemandsland von London war.

Aber die eine oder andere Erfahrung muss man eben auch selbst machen. Wir also bei dieser anderen Station ausgestiegen und kaum stehen wir vor dem Ausgang im Freien, lascht es aber mal aus allen vorhandenen Wolken. Schleusen auf, aber im Stile von Großmeister Petz! Der 10-15 minütige Weg war mit indischer Großzügigkeit berechnet, denn als wir nach ca. 20 Minuten strammen Fußmarsches das ExCeL am Horizont erkennen konnten, wird einem spätestens klar, dass es eine komplette Sch… Idee war dem Inder zu folgen! Irgendwann steht man dann so komplett durchnässt, am Sonntag Morgen und ohne Kaffee vor dem ExCeL, was im Prinzip nichts anderes als eine große Messehalle ist und stellt sich schon die Frage: Wessen Idee war es noch gleich zum Fechten zu gehen?? – Meine Antwort in Richtung Heike war da aber von Beginn an: DERTours Idee! :)

In der Halle war der Teamwettkampf mit den spitzen Waffen somit schon in vollem Gange. Ich denke ich muss es nicht extra erwähnen, dass ich noch nie beim Fechten war und Fechten bisher auch wirklich nie ansatzweise als eine Livesport Option durchgegangen wäre. Dennoch ist Fechten eine dieser Olympiasportarten, die ich in der Vergangenheit regelmäßig im TV geschaut habe. Allerdings mit wenig Enthusiasmus und geringem Aufmerksamkeitslevel. Meine Kenntnisse beschränkten sich somit auch auf 2 Punkte: 1. Die unterschiedlichen Trefferflächen zwischen den Waffen Degen, Säbel und Florett (beim Florett zählt nur der Torso) und 2. wo die Lampe leuchtet gibt es einen Punkt. – Es wurde relativ schnell klar, dass diese beiden Kenntnisse völlig ausreichen, um ein paar Stunden entspannt Olympiafechten zu schauen. 😉

Die deutsche Mannschaft hatte es bis ins Halbfinale geschafft, wir waren somit genau rechtzeitig in der Halle eingetroffen. Gegner im Halbfinale war das Team aus Japan. Ein Teamkampf geht über 9 Gefechte, jeder der 3 Teammitglieder gegen jeden der 3 Gegner. An dieser Stelle ist mir ein sehr wesentlicher Unterschied zum Fernsehen aufgefallen: Dort sieht man eigentlich immer nur einzelne Gefechte, weil Fechten immer ein Stück weit hinter anderen Sportarten angesiedelt ist und dann zappt das TV halt nach einem Kampf wieder raus. Man sieht aber eigentlich nie so einen kompletten Teamkampf in Folge. Das ist schade, denn ich fand genau die Entwicklung in so einer Reihe von Gefechten, was es letztendlich spannend gemacht hat. Deutschland lag im Prinzip ständig hinten, weil sie keines der ersten 6 Gefechte für sich entscheiden konnten. Dann haben sie sich aber rangekämpft und den Abstand Gefecht um Gefecht verringert. Na ja und mit jedem weiteren Kampf ist die Stimmung in der Halle besser und lauter geworden. Das war schon cool.

Hier noch mal ein Video:

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Vor dem letzten Kampf war klar: Wenn Deutschland mit mehr als 3 Treffern Unterschied gewinnt sind sie im Finale, bei weniger als 3 ist es Japan und bei genau 3 gibt es ein Sudden Death (vielleicht ging das nur mir so, aber ich fand das im Zusammenhang mit Fechten irgendwie eine unpassende Wortwahl….). Der Deutsche hat wirklich alles auf eine Karte gesetzt, sehr offensiv gekämpft und hatte dann 10 Sekunden vor Schluss tatsächlich genau diese 4 Treffer Vorsprung. Aber wie wir ja bei diesen Olympics am Beispiel der Florettdamen gelernt haben, ist eine Sekunde im Fechten gefühlt in etwa gleichzusetzen mit einer Halbzeit im Fußball. :) Der Japaner schaltete also in den letzten Sekunden auf kompletten Harakiri Sayonara Modus und tatsächlich gelang ihm 5 Sekunden vor Schluss noch der Ausgleichstreffer. Sudden Death also.

Der nächste Treffer entscheidet. – sollte man meinen, wenn es da nicht auch noch diese nutzlosen Kampfrichter geben würde. Also was der Fußball an Videobeweis zu wenig verwendet, hat der Fechtsport aber mal definitiv zu viel. Diese Kampfrichter schauen ja mehr Fernsehen als den Fechtern zu! Der Deutsche landete jedenfalls die ersten zwei Treffer, von denen wenigstens der zweite aus meiner Sicht eine echt klare Angelegenheit war. Beide Male kam aber Super Mario vom Videotisch zur Entscheidung, dass es unsauber gewesen wäre. Wie man sich denken kann, traf der Japaner dann als drittes und Deutschland war raus. Da habe ich mich echt aufgeregt, weil ich das als unglaublichen Beschiss empfunden habe. Vermutlich war es wohl nur die Quittung für diese 60 Minuten Sekunde von Frau Heidemann.

Deutschland war also raus und da wir eh noch zum Beachvolleyball wollten, hatten wir dann auch direkt keine Lust mehr auf Fechten. 😉

Insgesamt war unser Besuch bei den Florettfechtern schon eine interessante, neue Erfahrung, aber für mich jetzt kein richtiges Highlight. Der Sport ist zwar durchaus dynamisch und spannend, aber so richtig geflasht hat es mich nicht. Das hing aber sicher auch mit der recht uninspirierten Wettkampfstätte zusammen. Das ExCeL ist einfach ziemlich charakterlos und wenn man so Richtung Ausgang geht, stellt man fest, dass in diesen Messehallen offensichtlich alle Sportarten geparkt werden, die keinen so richtig interessieren. Neben Fechten war es nämlich auch noch der Spielort für Boxen, Gewichtheben, Tischtennis, Ringen, Judo und bestimmt noch einiges anderes. 😉

Next Stop: Die beste Location der Olympischen Spiele in London: Beachvolleyball at Horseguards Parade! :)

4 Responses to “Olympic Diaries London 2012 Episode 3: En garde! Fechten im ExCeL”

  1. rob Says:

    ich hab den bericht grad mal uschi gezeigt.
    sie meint du liegst jetzt wieder vorne in wirklich ganz ganz bescheurte sport events irgendwo anzusehen.

  2. Olympic Diaries London 2012 Episode 4: Beachvolleyball at Horse Guards Parade | Livesportfan Blog Says:

    […] Olympische Spiele, Randsportarten Add comments Nach dem etwas seltsam verlaufenden Vormittag beim Fechten draussen im ExCeL, haben wir uns auf den Weg in die Innenstadt der englischen Hauptstadt gemacht. Unser Ziel: Die aus […]

  3. pek Says:

    hihi,
    erinnert irgendwie an CA Lanus oder Istanbul BB :-)

    übrigens, die größte und vielleicht einzige scheiße bei der olympia 2012 war dass alle freiwillige helfer von LOGOC instruiert wurden den gästen immer die fusswege einzureden und diese von den kürzesten und schnellsten verbindungen abzubringen! das war kein zufall und kein armer inder sonder das system eigene gäste zu belügen! so hoch war die panik vom zusammenbruch der öffentlichen verkehrsmitteln. alles unnötig natürlich, hat alles ganz gut funktioniert.
    nur leider nicht rund um die uhr, wie es bei so einem grossereignis gehört! dafür werben sie aber schon jetzt an allen tube stationen mit “24h schienenverkehr” ab 2018

  4. Olympic Diaries London 2012 Bahnradfahren im Velodrome | Livesportfan Blog Says:

    […] einem ,wie beschrieben, intensiven und in vielerlei Hinsicht besonderen Sonntag beim Fechten an der Thames und beim beachen an der Horse Guards Parade, stand ein voller Tag mit zwei absoluten sportlichen […]

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