Olympic Diaries London 2012 Episode 5: Bahnradfahren im Velodrome!

London 2012, Olympische Spiele, Randsportarten Add comments

So, ein paar hundert Liter hochsommerlich ausgeschwitzte Flüssigkeit später, gehts mit den Olympic Diaries auch schon weiter! Schreibblockaden sind ja ein bekanntes Phänomen, aber wer kann schon von sich behaupten mal einer Schreibüberhitzung beigewohnt zu haben…? Na ja, egal, Hauptsache es kommen jetzt die Fortsetzungen. – oder hattet ihr gedacht das wars schon mit Olympia??? Aber mitnichten! 😉

Nach einem ,wie beschrieben, intensiven und in vielerlei Hinsicht besonderen Sonntag beim Fechten an der Thames und beim beachen an der Horse Guards Parade, stand ein voller Tag mit zwei absoluten sportlichen Highlights im Olympiapark zu London auf dem Programm, wo von speziell eine Sportart für mich ganz weit vorne war: Bahnrad im Velodrome!

Hätte ich mir nur eine einzige Sportart bei Olympischen Spielen live aussuchen können, wäre das zwar in London ein hartes Kopf an Kopf Rennen geworden, aber am Ende wäre meine Entscheidung mit ziemlich absoluter Sicherheit auf Bahnradfahren gefallen. Das mag jetzt zwar leicht seltsam und auch ein bisschen irre wirken (was ja in diesem Blog vermutlich eine erstmalig ausgelöste Empfindung wäre!), aber Bahnradfahren ist für mich zu 100% Olympische Spiele, ganz tief in meinen Kindheitserinnerungen an Olympia verankert und zu 200% eine Sportart, die ich niemals außerhalb der Olympics schauen würde! Ich bin jetzt bei weitem kein ausgewiesener Radfan, aber Bahnradfahren und dort vor allem die Einzelsprint- und Teamverfolgungswettbewerbe, haben mich echt schon immer tief fasziniert. Da gehts ja auch letztendlich nicht mehr um Fahrräder, nein, das sind ausgewiesene Rennmaschinen! Dagegen sind die Straßenrennräder ja geradezu langweilig. Der Unterschied ist aerodynamisch in etwa so, als wenn der Vettel mit nem Wohnmobil Formel 1 fahren würde. 😉 Aus meiner Sicht ist der Sport im Velodrome jedenfalls bei Olympia immer ein Highlight und die Halle alleine schon etwas besonderes.

Soweit also die Ausgangslage: Bahnradfahren, da hab ich direkt den Like-Button gedrückt und wollte unbedingt in dieses Velodrome. Problem war dabei eigentlich nur: Das Ziel hatten so ziemlich alle anderen Olympia Interessierten auch! 😉 Es klingt immer ein bisschen blöd zu sagen, es war nicht so ganz einfach an Tickets zu kommen, aber in diesem konkreten Fall stimmte es über alle Maße. Natürlich wollen bei Olympia auch immer alle ins Leichtathletikstadion (dazu kommen wir noch), allerdings mit dem kleinen Unterschied, dass es deutlich mehr Leichtathletik Sessions gibt und ins Olympiastadion 80.000 Zuschauer passen, wohingegen diese kleine Bahnradhalle mit knapp 6000 Besuchern rappelvoll ist.

Erschwerend kam dann noch hinzu, dass unsere englischen Freunde im Laufe der letzten Jahre ihre Liebe und Leidenschaft zum Radsport für sich entdeckt haben. Hey, sowas ist super, wenn man auf der Suche nach wenigen Tickets ist: Ein Gastgeberland, was da komplett auch in die Halle möchte und komplett unsinnige Preise zahlt, um das zu schaffen. Da ich mit ganz, ganz wenigen Ausnahmen dem Schwarzmarkt ja eher passiv gegenüber stehe und ein besonderer Teil des Reizes der Ticketjagd zweifellos darin besteht günstige Tickets zu bekommen, habe ich das ganze Bohei ums Bahnradfahren doch eher als ein Problem gesehen.

Wie sollte es dann auch anders sein, natürlich hatte ich 1 Woche vor Beginn der Spiele noch kein einziges Bahnradticket. – Eigentlich noch nicht mal eine Chance auf eines. Da ging es im ersten Schritt zur Abwechslung noch nicht mal darum schneller als die anderen zu sein, nein, es gab gar keine Tickets bei denen man hätte schnell sein können. Insgesamt sehr frustrierend und im Prinzip hatte ich das Thema tatsächlich abgehakt. Wenn man jedoch so einen Ticketshop über Wochen intensiv beobachtet, entdeckt man aber halt hier und da so lose Muster… Beim Olympiaticketshop ist mir irgendwann aufgefallen, dass sie immer gegen 19:00 Uhr und gegen 23:00 Uhr (roughly) größere Mengen an Tickets in den Shop gepumpt haben. Dementsprechend…. zu den Zeiten war ich dann halt auch meistens am Start. 😉 Letztendlich war es dann einfach großes Glück gepaart mit ein bisschen Beharrlichkeit und in einem sonnigen Moment habe ich somit doch noch 2 Tickets aus einer niedrigen Kat fürs Bahnradfahren geschossen! Von allen Tickets habe ich mich über keines mehr gefreut, wobei es noch ein anderes gab, was der deutlich größere Adrenalinflash war, aber dazu komme ich noch. 😉

Da das muntere im Kreis herum fahren erst am Nachmittag losgehen sollte, haben wir den Tag vorher also genutzt ein wenig die Atmosphäre auf dem olympischen Gelände auf uns wirken zu lassen. Das war echt ganz schön, weil da so dermaßen viel mehr Menschen unterwegs waren, als ich es jemals an einem Montag Vormittag für möglich gehalten hätte! Unglaublich! Durch die Organisation mit den zentralen Eingängen und separaten Venue-Zugängen, konnten sich natürlich auch alle Menschen, die für irgendetwas im Olympiapark ein Ticket hatten so lange sie lustig waren auf dem Gelände aufhalten. – und auch nach dem Sportevent dort noch verweilen. Dadurch war es wirklich ein riesiges Gewusel internationaler Art, was ich in der Weise auch noch nicht erlebt hatte. Komplett friedlich dabei, ganze Familien, die mit ihrem mitgebrachten Picknick auf der Wiese liegen, viele Menschen, die anderen Sportevents auf der Großleinwand folgen, einfach eine sehr, sehr fröhliche Atmosphäre.

Mir hat das ausgesprochen gut gefallen, weil man plötzlich ein Verständnis dafür bekommt, warum olympische Spiele eigentlich als so eine völkerverbindende Veranstaltung gelten. Ein halber Tag auf einer dieser Bänke oder Steine im Olympiapark und man stellt sich diese Frage jedenfalls nicht mehr. 😉 Für mich war das neben dem ganzen Sport definitiv ein absolutes Highlight der ganzen Spiele, weil es vermutlich verdammt dicht an der olympischen Idee dran war.

Das hätte ich noch eine ganze Weile so weiter genießen können, aber plötzlich muss man ja schon wieder zum Sport. 😉 Auf ins Velodrome!

Man verbindet ja mit vielen Dingen immer sehr schnell eine Erwartungshaltung und oft kann dann die Realität nicht mehr mit dem Kopfkino mithalten. Wer kennt das nicht? Als Heike und ich aber durch diese Tür ins Velodrome getreten sind, war meine Erwartungshaltung nicht nur erfüllt, das war sogar noch viel, viel besser als ich es gedacht hatte. Als erstes fällt einem auf, dass es auch hier ziemlich heiss in der Halle ist.

Offensichtlich ist die sibirische Edelkiefer, aus der das Team vom Miniaturwunderland in Hamburg in mühevoller Kleinarbeit die Bahnrad (Bahnradfahren ohne Bahn oder Rad ist nur noch fahren) zusammengezimmert hat, ein sensibles Gewächs und braucht eine gewisse Temperatur, damit sie nicht aus dem Lack geht. – Dass es einer sibirischen Kiefer tatsächlich schnell zu kalt werden kann, diese Ironie ist jetzt hoffentlich nicht nur mir aufgefallen… 😉 Nebenbei bemerkt fragt man sich dann auch direkt, ob der Putin im Tausch gegen die ganzen Hartholzgewächse aus der Tundra nicht auch gleich einen Startplatz im Einzelsprint beansprucht hat. Aber wahrscheinlich wurde sein E-Bike abgelehnt. Ein Skandal, aber hey, man kann sich eben nicht alles kaufen, das ist ja hier nicht die Fifa. 😉

Ok, ich schweife ab. Als zweites fällt dann aber auch direkt schon auf, wie eng und klein diese Halle eigentlich ist und wie dicht so ziemlich jeder Platz an der Strecke ist! Im Umkehrschluss bedeutet das natürlich auch: Wie wahnsinnig viel mehr Geld haben die da vorne eigentlich für diese 10-15 Meter Unterschied bezahlt? :))

Ganz geil also, es konnte losgehen! Auf dem Programm stand ein bunter Mix aus Einzelsprintwettbewerben der Frauen und Männer, sowie die ersten 3 Disziplinen des sogenannten Bahnrad-Mehrkampfes der Frauen. Davon hatte ich ehrlich gesagt noch nie gehört, aber das ist ja mal eine brutal anstrengende Veranstaltung, unglaublich!

Wie weiter oben schon erwähnt, sind die Engländer zurzeit sehr stark im Radfahren allgemein und im Bahnradfahren im Besonderen. Trat also einer ihrer Landsleute in die Pedale, war die Stimmung in der Halle sofort am kochen. Im Einzelsprint der Männer ging es dann zudem noch um die Medaillen.

Einzelsprint ist wirklich eine hochexplosive Sportveranstaltung! Es geht über 3 Runden, wovon sich 1,5 Runden im Prinzip nur ganz langsam fahrend belauert wird. Keiner will vorne fahren, da man aus dem Windschatten auf der letzten Runde große Vorteile hat. Das ist tatsächlich eine sehr taktische Veranstaltung, die wenig Raum für Fehler oder Unkonzentriertheiten lässt. Nachdem sie also die erste Runde wie beim Brötchenholen am Sonntag auf dem Hollandrad in gemütlicher Fahrt bestritten haben, nehmen sie Fahrt auf. Richtig, richtig Fahrt! Die Männer beschleunigen diese Rennmaschinen mit nur einem Gang auf 70 km/h, was ich mir in so einer Steilkurve aus der sensiblen Sibirienkiefer auch irgendwie als Erlebnis vorstelle. Vollgas in die letzte Runde und wer hinten ist, versucht das Hinterrad des Führenden zu kriegen, um ihn dann in der letzten Kurve aus dem Windschatten noch zu überholen. Total faszinierend! Action, Spannung, Strategie und enorme Dynamik. Mehr kann man eigentlich vom Sport nicht erwarten. Das ganze gibt es dann noch best of 3, also am Ende gewinnt wer zuerst 2 Rennen für sich entschieden hat.

Die Halbfinals waren schon spannend, aber im Finale war es dann ein echter olympischer Höhepunkt! Nachdem der teilnehmende Engländer überraschend den ersten Lauf gegen den favorisierten Franzosen für sich entscheiden konnte, brannte schon die Halle, aber als er dann im zweiten Lauf wieder vorne war und somit Gold inne hatte, da ist die Halle echt explodiert.

Ich hab da mal ein Video gemacht, sehr lohnenswert denke ich:

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Zwischen diesen ganzen Sprinthöhepunkten gab es noch den angesprochenen Bahnradmehrkampf der Frauen. Im einzelnen waren das die Disziplinen Langstrecke, Ausscheidung und fliegende Runde. War die fliegende Runde (jede Fahrerin strampelt alleine eine gezeitete Runde aus voller Fahrt) noch verhältnismäßig eintönig, so hatten es die anderen beiden Events aber mal so richtig in sich! Das darf man sich folgendermaßen vorstellen: Langstrecke heisst nichts anderes, als 18 Fahrerinnen radeln 80 Runden durchs Velodrome. Nein, ich habe mich nicht verschrieben, es sind wirklich 80 gewesen. Es gibt dann Punkte für Zwischensprints, Überrundungen usw. Eine sehr actiongeladene Veranstaltung, weil es alles hat, was Radfahren spannend macht. Inklusive Ausreissversuchen und Teamarbeit. Fehlte eigentlich nur noch ne ausgewachsene Bergwertung, aber ihr habt richtig vermutet, dafür konnte das Taiga-Holz nicht begeistert werden. 😉

Die Mädels fahren also diese 80 Runden, haben danach alle mehr oder weniger Punkte, setzen sich dann ca. ne halbe Stunde in ihre Boxen, um danach zur aus meiner Sicht brutalsten Veranstaltung in diesem Mehrkampf anzutreten. Die Regeln sind denkbar einfach: Alle zwei Runden fliegt die letzte Fahrerin raus! Das geht zack, zack und wie man sich denken kann wird das ganze von Runde 1 an in einem sehr hohen Tempo gefahren. Ich denke das muss echt absolut mörderisch anstrengend sein!

Auch hier war die Stimmung ganz toll, da es sich die Zuschauer zur Aufgabe gemacht hatten, die Engländerin bei jeder Entscheidung noch irgendwie als mindestens Vorletzte über die Linie zu schreien. – Und am Ende hat sie diese Disziplin auf diese Weise sogar gewonnen. Ende gut, alles gut. :)

Da geht man wirklich mit so einem Grinsen aus der Halle, weil es einfach ganz toll war.

Insgesamt war Bahnradfahren im Velodrome in London für mich ein echtes Highlight meiner Livesporterlebnisse!

One Response to “Olympic Diaries London 2012 Episode 5: Bahnradfahren im Velodrome!”

  1. fantigeppi Says:

    Bin gerade erst auf deine Seite gestoßen.
    Bei dem Event war ich auch, total genial gewesen.

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